"Berlin von A(lex) bis
Z(oo)"
3. Tag: Frühstück, Fahrt zum
Ostbahnhof, East Side Gallery, Oberbaumbrücke, Molecule Man,
Jüdisches Museum, Fundusverkauf der Komischen Oper, Unter
den Linden, Staatsbibliothek, Altes Palais, Reiterstandbild
Friedrichs des Großen, Humboldt-Universität, Neue
Wache, Maxim-Gorki-Theater, Kommandantenhaus, Kronprinzenpalais,
Prinzessinnenpalais, Forum Fridericianum/Bebelplatz (Staatsoper
Unter den Linden, Sankt-Hedwigs-Kathedrale, Alte
Bibliothek/Kommode, Denkmal Versunkene Bibliothek), Mittagessen,
Museumsinsel (Pergamon-Museum, Bode-Museum), Neue Synagoge,
Postfuhramt, Kunsthaus Tacheles, Abendrundfahrt (Alexanderplatz,
Potsdamer Platz, Boulevard der Stars, Sony-Center)
Gestärkt mit einem reichlichen und sehr
guten Frühstück starten wir in den nächsten
Besichtigungstag. Zunächst fahren wir mit der S-Bahn bis zum
Ostbahnhof. Denn von dort sind es nur wenige Schritte bis zur
East Side Gallery, einem gut 1 km langen Stück der Berliner
Mauer, das nach der Wende von Künstlern aus aller Welt
gestaltet worden ist. 2009 erfolgte eine weitgehend
originalgetreue Restaurierung, sie war notwendig geworden, da
Umwelteinflüsse und Zerstörung von Menschenhand die
Malereien in den vorangegangenen Jahren ziemlich beschädigt
hatten.
  
  
  
  
  
  
An einer Stelle wurde ein Stück
der Mauer entfernt, um einen Zugang zur Spree zu schaffen. Dies
gibt auch einen Blick auf die Oberbaumbrücke frei. Durch das
Gegenlicht sind auf dem Foto aber leider nur die Umrisse
erkennbar. Diese Brücke, die wir wenig
später dann auch überqueren, ist eine ziemlich
eigenartige Konstruktion. Es führt darüber nicht nur
der Auto- und Fußgängerverkehr, sondern auch eine
U-Bahn-Linie, und zwar auf einer Trasse oberhalb der Fahrbahn.
Die Grenze zwischen Ost und West verlief einst quer über die
Brücke, was zur Folge hatte, dass das Bauwerk dem Verfall
preisgegeben war. Es wurde aber nach der Wende wieder aufgebaut
und neu gestaltet. Durch die Türme, Zinnen und Säulen
entsteht irgendwie ein burgartiger Charakter.
Von der Brücke aus kann man in einiger
Entfernung den Gebäudekomplex der Treptowers sehen, eines
dieser Bauwerke, der Allianz-Tower ist mit 125 Metern das größte
Bürogebäude Berlins. Davor befindet sich in der Spree
die Skulptur Molecule Man von Jonathan Borofsky. 30 Meter hoch
sind die drei gelöcherten Männer aus Aluminium und über
45 Tonnen schwer. Wir haben uns mit diesem Anblick aus der Ferne
zufrieden gegeben. Das Foto ist stark gezoomt.
  
Ein Stück sind wir zu Fuß unterwegs,
das Gebiet hier ist nicht sehr einladend, dann steigen wir wieder
in die U-Bahn und fahren bis zum Halleschen Tor. Wir möchten
uns das Jüdische Museum, zumindest von außen ansehen.
Das tanzt jetzt rein geografisch gesehen aus der Reihe, es hätte
an einem anderen Tag schon mal besser in unsere Route gepasst,
aber die Verkehrsverbindungen in Berlin sind so dicht und
schnell,
dass das nicht wirklich eine Rolle spielt.
Das Jüdische Museum Berlin besteht aus einem
barocken Altbau, dem Kollegienhaus, einst Landgericht und später
stadtgeschichtliches Museum, und einem architektonisch auffällig
gestalteten Neubau mit einer Gartenanlage. Vom Altbau blieben im
Zweiten Weltkrieg nur die Außenmauern stehen, in den 60ern
wurde er wieder aufgebaut. Der Neubau ist im Stil des
Dekonstruktivismus von Daniel Libeskind geplant worden. Der
Grundriss soll einen zerrissenen David-Stern darstellen, die
Außenhaut des Gebäudes besteht aus Titan und Zink und
wirkt von den Lichteinlässen förmlich "beschädigt"
und "verletzt". Spitze Winkel, schiefe Böden, viel
Beton ... leere, nicht betretbare, aber einsehbare Räume ...
im Inneren soll die Architektur genauso "extrem" sein.
Da gäbe es sicher viel darüber zu sagen, aber das würde
nicht hierher passen, zumal wir das Museum ja nur von außen
gesehen haben.
  
Vor dem Museum patrouilliert ein Polizist. Wir
machen dort auf einem Betonbankerl kurz halt, um etwas aus
unserem Rucksack zu nehmen. Und anschließend muss sich
Gerhard auch noch die Schuhbänder neu binden. Ich habe den
Eindruck, wir haben den Mann durch unseren Aufenthalt unruhig
gemacht. Er kommt immer wieder ganz nahe heran und lässt uns
nicht aus den Augen. Wir wollten natürlich keine
Unruhestifter sein, haben das aber offensichtlich geschafft.
Dabei dachte ich, dass wir
wirklich harmlos aussehen, wie Touristen halt!
Mit der U-Bahn fahren wir von der Station
Kochstraße (wir wären hier nahe am Checkpoint Charlie,
aber den haben wir ja schon "erledigt") bis zum
S-Bahnhof Friedrichstraße. Silvia wird sich für die
Mittagszeit von uns trennen, da sie sich mit einer
Studienkollegin trifft, die in Berlin zu Hause ist. Wir gehen von
dort aus in Richtung Unter den Linden, überqueren diese
Straße und schauen dann beim "Fundusverkauf" in
der Behrenstraße vorbei. Das Transparent haben wir schon
gestern gelesen, aber da hat die Uhrzeit nicht gepasst. Hier
werden aus dem Fundus der Komischen Oper Berlin Kostüme,
Möbel und Ausstattungsgegenstände angeboten.
Erschwinglich ist das Zeug ohnehin nicht, aber das Schauen und
Stöbern ist ein Erlebnis.
  
  
  
Wir gehen zum Boulevard Unter den Linden zurück
und diesen entlang. Hier gilt es noch einige Sehenswürdigkeiten
"aufzusammeln". Wir waren zwar schon in dieser Gegend,
sind aber auf andere Pfade abgewichen. An dieser Stelle wird es
Zeit, diese Straße endlich einmal etwas näher zu
beschreiben. Sie war ursprünglich ein Reitweg, der bereits
im 16. Jahrhundert angelegt wurde und das Stadtschloss mit dem
Tiergarten verband. Kurfürst Friedrich Wilhelm ließ
dann Mitte des 17. Jahrhunderts hier Bäume pflanzen, ich
nehme an, dass es sich um Linden gehandelt hat, das hat eine
gewisse Logik. Daraus wurde die älteste Flaniermeile der
Stadt, sie beginnt am Brandenburger
Tor und endet an der Schlossbrücke. Friedrich der Große,
"der Alte Fritz" ließ später dann großzügig
ausbauen, 60 Meter breit und mit Mittelstreifen. Dort wo dieser
Mittelstreifen und damit der Baumbestand im Osten endet, steht
sein Reiterstandbild. Kaum zwei Minuten später werden wir
daran vorbeikommen.
Vorher kommt aber noch das Gebäude der
Staatsbibliothek an die Reihe. Hier gibt es allerdings nichts zu
sehen außer einem Riesengerüst, das wirklich so gut
wie alles verdeckt. Kaiser Wilhelm II. ließ das Bauwerk zu
Beginn des 20. Jahrhunderts errichten. Mit seinem neobarocken,
monumentalen Stil sollte es besonders auch repräsentative
Zwecke erfüllen. Der Lesesaal im Zentrum war mit einer
riesigen Kuppel überdacht. Sie wurde ein Opfer des Zweiten
Weltkriegs.
Weiter
also geht es die Prachtstraße entlang. Wir nähern uns
dem "Alten Fritz", noch kehrt er uns den Rücken
zu. Rechter Hand liegt das Alte Palais. Es wurde Mitte des 19.
Jahrhunderts von Carl Ferdinand Langhans im klassizistischen Stil
erbaut. Im Zweiten Weltkrieg brannte es komplett aus, es wurde in
den 60ern aber nur die Fassade zu den Linden hin wieder
originalgetreu aufgebaut. Heute wird es von der
Humboldt-Universität als Institutsgebäude genutzt.
Schräg
gegenüber, also wenn wir links am Reiterstandbild
vorbeigehen, stehen wir vor dem Hauptgebäude der
Humboldt-Universität. Es gehört zum früheren Forum
Fridericianum, von dem ein paar Absätze weiter gleich noch
die Rede sein wird. Das großzügig angelegte und sehr
effektvoll wirkende Bauwerk stammt aus der Mitte des 18.
Jahrhunderts. Ursprünglicher Zweck war ein neues
Königsschloss, doch da sich - auch davon später - in
den Gesamtplänen zwischenzeitlich einiges geändert
hatte, wurde es für Prinz Heinrich, Friedrichs jüngeren
Bruder, gebaut und einige Jahre nach dessen Tod der ersten, eben
erst von Wilhelm von Humboldt gegründeten Berliner
Universität übertragen.
Zu Ende des 19. Jahrhunderts wurden diverse
Umbauten und Erweiterungen vorgenommen. Im Zweiten Weltkrieg
blieben nur wenige Teile dieses Gebäude-Ensembles bestehen.
In zwei Etappen erfolgte ein Wiederaufbau, der sich am
historischen Vorbild orientierte. Berühmte Besucher dieser
Uni sind u.a. Jakob und Wilhelm Grimm, Georg Wilhelm Friedrich
Hegel, Albert Einstein und Max Planck. Im Innenhof und vor dem
Gebäude werden antiquarische Bücher verkauft. Wir haben
ein wenig in den Beständen gestöbert, aber nichts
Interessantes gefunden.
  
Geht man die Linden ein Stück weiter auf
derselben Straßenseite kommt man zur Neuen Wache. Friedrich
Wilhelm III. ließ sie Anfang des 18. Jahrhunderts
errichten, da die Wachstube im naheliegenden Zeughaus nicht mehr
groß genug gewesen war. Damals herrschte ein wenig Geldnot,
so wurden Seiten- und Hinteransicht des Gebäudes in rohem
Backstein belassen. Karl Friedrich Schinkel, der Architekt,
wusste das gut mit einem Baumbestand rundherum zu kaschieren.
Auch hat er das Gebäude
so entworfen, dass es trotz seiner nicht gerade großen
Abmessungen neben den vielen Monumentalbauten in der Umgebung gut
zur Wirkung kommt. Es diente zu dieser Zeit auch als Gedenkstätte
für die Gefallenen der Napoleonischen Kriege.
Nach dem Ende der Monarchie wurde es zum Mahnmal
für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs. Es entstand damals
schon durch Entfernen aller Zwischenwände ein riesiger Raum,
in dessen Zentrum ein schwarzer Granitblock mit einem Eichenkranz
in Gold und Silber aufgestellt wurde. Im Zweiten Weltkrieg wurde
das Gebäude fast völlig zerstört, aber bereits
1960 wieder aufgebaut und den Opfern des Faschismus und
Militarismus gewidmet. Der Granitblock wurde durch eine Ewige
Flamme in einem Glasprisma ersetzt.
Seit 1993 ist das Bauwerk die "Zentrale
Gedenkstätte der Bundesrepublik Deutschland". In der
Mitte des noch immer sonst völlig leeren Raumes steht eine
vergrößerte Nachbildung der Skulptur "Mutter mit
totem Sohn" von Käthe Kollwitz. In den Boden davor ist
die Widmung "Den Opfern von Krieg und Gewaltherrschaft"
eingelassen. Der runde Lichteinlass in der Decke erzeugt einen
ovalen Sonnenfleck auf der völlig schmucklosen Mauer. Sonst
ist da nichts. Der Neugestaltung dieser Gedenkstätte sind
ausufernde Debatten und Streitereien vorangegangen, sowohl über
die Figuren als auch über die Inschrift, sie mögen
allesamt berechtigt gewesen sein. Ohne mich damit näher
beschäftigt zu haben und zu wissen, was jetzt genau den
Grund für diese Kontroversen gebildet hat ... man mag mir
verzeihen, dass ich hier einfach nur mein Gefühl ausdrücke:
Die Raumwirkung ist enorm eindringlich, die Skulptur stimmt
unendlich traurig, wer hier nicht ergriffen ist, ... naja, das
möchte ich jetzt lieber nicht formulieren.
 
Schräg hinter der Neuen Wache ist das
Maxim-Gorki-Theater. Es kam zufällig ins Bild und damit in
diese Reisegeschichte.
Steht
man mit dem Rücken zur Neuen Wache und blickt über die
Straße, hat man schräg links vor sich folgende drei
Gebäude: das Kommandantenhaus, das Kronprinzenpalais und das
Prinzessinnenpalais. Über die beiden letzteren möchte
ich noch kurz ein paar Worte verlieren.
Das Kronprinzenpalais, im 17. Jahrhundert als
Privathaus erbaut, diente bis 1918 - wie der Name schon sagt -
als Residenz des jeweiligen Kronprinzen. Nachher war darin die
Moderne Abteilung der Berliner Nationalgalerie untergebracht.
1936 wurden viele Kunstwerke von der Gestapo konfisziert und
teilweise vernichtet oder in der Wanderausstellung "Entartete
Kunst" gezeigt. In den letzten Kriegsmonaten fiel das
Gebäude einem Bombenangriff zum Opfer und musste komplett
abgetragen werden. Das wieder errichtete Haus war Gästehaus
für DDR-Staatsgäste. Später wurde hier der
Einigungsvertrag zwischen der DDR und der BRD unterschrieben.
Heute wird es für Veranstaltungen genutzt.
Das
Prinzessinnenpalais entstand im 18. Jahrhundert aus zwei
Wohnhäusern, die später mit einem Trakt verbunden
wurden. Erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts entstand der Bauteil
zu den Linden hin und eine Verbindung mit dem Kronprinzenpalais.
Bis zum Ende der Monarchie wohnten hier die Mitglieder der
preußischen Herrscherfamilie. Auch dieses Gebäude
musste nach dem Krieg vollständig wieder aufgebaut werden.
Wegen seiner Nähe zur Oper wird es auch Opernpalais genannt,
und es befinden sich heute darin gastronomische Betriebe.
Damit sind wir nun auch schon beim Opernhaus
Unter den Linden, kurz gesagt der Lindenoper, und damit beim
schon einmal kurz erwähnten Forum Fridericianum, angelangt.
Die Oper ist nämlich das Eckgebäude zwischen den Linden
und dem Bebelplatz, der diesen Namen erst viel später bekam,
aber geografisch dasselbe bedeutet wie das Friedrichsforum. Und
so kommen wir hier auch wieder zurück auf Friedrich den
Großen. Als er 1740 seine Regierung antrat, hatte er viel
vor. Er war sehr architekturbegeistert und auch persönlich
mit Skizzen und Plänen seiner Vorhaben befasst. Einer seiner
wichtigsten Berater war Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff.
Friedrichs Plan war, hier auf diesem Platz ein
großartiges, repräsentatives, neues Stadtzentrum
aufzubauen, das Politik, Wissenschaften und Kunst in sich
vereinen sollte. Die allererste große Planung sah ein neues
Schloss vor, weiters ein Opernhaus, das auch tatsächlich als
erstes Gebäude dieses Ensembles errichtet wurde, und ein
Ballhaus, was nichts mit Tanzen sondern mit einem tennisähnlichen
Ballspiel zu tun hatte, zumindest behauptet das Wikipedia.
Diese Planung erwies sich als nicht realisierbar.
Denn eine Seitenlinie der Hohenzollern, die im Palais Schwedt saß
(ein Vorgängerbau des Alten Palais), machte ihm einen Strich
durch die Rechnung, weil sie das Haus nicht aufgeben wollte. So
wurde umgeplant. Die Oper gab es ja schon (1741-43), das Ballhaus
wurde aus dem Plan gestrichen, das geplante Schloss wurde - wie
oben bereits erwähnt - nur mehr als Prinz-Heinrich-Palais,
das heutige Hauptgebäude der Humboldt-Universität,
verwirklicht (allerdings erst 1748 begonnen). Gleichzeitig gab
Friedrich den Auftrag, in Potsdam das Schloss Sanssouci (1745-47)
zu bauen, d.h. er verlagerte seinen persönlichen
Lebensmittelpunkt dorthin. Dafür wurde mit dem Bau der
Hedwigskirche begonnen (1747). Friedrich hatte hier einen
politischen Grund. Nach dem Zweiten Schlesischen Krieg wollte  er
durch die Errichtung einer katholischen Kirche, die der
Schlesischen Landesheiligen Hedwig geweiht ist, religiöse
Toleranz demonstrieren. Erst um einiges später (1775) wurde
mit dem Bau der Königlichen Bibliothek, heute Alte
Bibliothek, begonnen. Die Hohenzollern-Seitenlinie gab das im
Wege stehende Palais nun doch auf, darum war an der Westseite des
Platzes der Raum frei für ein weiteres Gebäude.
Hier nun aber noch einige Details zu den
angeführten Bauwerken: Die Lindenoper wurde unter dem
Architekten Knobelsdorff errichtet und ein Jahrhundert später
nach einem Brand von Carl Ferdinand Langhans klassizistisch
wiederaufgebaut. Sie war lange Zeit ein sehr geachtetes und
wichtiges europäisches Opernhaus. Enrico Caruso hat hier
gesungen, Richard Strauß hat hier dirigiert. In den 30ern
wurde umgebaut, in den 50ern nach den Kriegszerstörungen
wieder aufgebaut. Derzeit wird auch gerade gebaut. Das Ensemble
der Staatsoper Berlin ist in das Schillertheater umgezogen,
geplante Wiederaufnahme des Spielbetriebes ist Oktober 2013.
Die Hedwigskirche, heute
Sankt-Hedwigs-Kathedrale, entstammt Plänen von Knobelsdorff
und Jean Lauren Legeay. Sie ist nach dem Vorbild des Pantheon in
Rom gestaltet, und ihre Bauphase verlief unter großen
Schwierigkeiten. Wegen Geldknappheit und des dritten Schlesischen
Krieges wurde die Kirche nur vorläufig fertiggestellt, 1773
erfolgte die Einweihung. Aber erst zu Ende des 19. Jahrhunderts
war sie wirklich fertig. Seit 1930 ist sie die Bischofskirche für
das Bistum Berlin. 1943 brannte sie völlig aus. In den 50ern
wurde sie in leicht veränderter Form wiederaufgebaut, so
wurde die Kuppel vereinfacht, ohne Laterne, wiederhergestellt.
  
Der Innenraum wurde durch Hans Schwippert
gänzlich neu gestaltet und die Krypta als Unterkirche mit in
den gesamten Raum einbezogen. Das sieht sehr interessant aus.
Besonders hervorzuheben ist der Altar der Krypta, der sich nach
oben als Säule  verlängert
und den Hauptaltar in der Oberkirche trägt. Unten gibt es
insgesamt acht Kapellen, die als Gedenk-, Tauf- und Betkapellen
verwendet werden. Es sind dort auch Vitrinen mit
Ausstellungsstücken.
Und in einer dieser Kapellen befindet sich eine
Kopie der Pietà von Michelangelo aus San Pietro in Rom.
Man kann nicht ganz nahe hin, denn die Kapelle ist durch eine
Gittertür abgeschlossen. Aber man kann
natürlich durchschauen. Ein ganz eigenartiger Effekt ergibt
sich hier für mich: Dass ich es hier nicht mit dem Original
zu tun habe, weiß mein Hirn ... einen Unterschied sehen
können meine Augen aber nicht. Und wie sie da so steht ...
ohne Panzerglas, ganz alleine, keine drängelnden Touristen,
nicht auf einem hohen Sockel, sondern Marias Kopf in meiner
Augenhöhe ... da wirkt sie auf mich eigentlich viel mehr als
sie das vor drei Jahren in Rom vermocht hat. Irgendwie total
stark, finde ich!
Die
Alte Bibliothek wird von den Berlinern auch Kommode genannt. Das
liegt an der geschwungenen Form. Georg Christian Unger kopierte
auf Veranlassung Friedrichs des Großen hier den Entwurf
Joseph Emanuel Fischers von Erlach für den Michaelertrakt
der Hofburg in Wien. Was daran wirklich ein Kuriosum ist: Der
Entwurf wurde in Wien erst viel später umgesetzt. Damit hat
die Kopie das Original um etwa 100 Jahre überholt. Die
Ausführung des Entwurfes war schwierig, da die Bausituation
nicht mit dem Standort des Wiener Originals verglichen werden
konnte. Es war zu wenig Platz da, somit musste die Krümmung
deutlich schwächer ausfallen als geplant. Schon seit 1914
gehört die Alte Bibliothek
zur Humboldt-Universität. Bombentreffer und Brände
beschädigten das Haus im Zweiten Weltkrieg schwer. Die
Platzfassade wurde originalgetreu nachgebaut. Im Inneren ist das
Gebäude modern ausgestattet und heute Sitz der juristischen
Fakultät.
Schließlich noch ein Wort zum Bebelplatz:
Er hieß bei seiner Errichtung Platz am Opernhaus und war
die Hauptachse des geplanten Forum Fridericianum. Später war
er der Kaiser-Franz-Joseph-Platz, nach dem österreichischen
Kaiser benannt, seit 1947 schließlich trägt er den
Namen von August Bebel, einem der Mitbegründer der
Sozialdemokratischen Arbeiterbewegung. 1933 war hier Schauplatz
einer von den Nationalsozialisten initiierten Bücherverbrennung.
Zum Gedenken daran befindet sich in der Platzmitte die
"Versunkene Bibliothek", ein Glasfenster gibt den Blick
auf einen unterirdischen, nicht begehbaren Raum mit weißen,
leeren Bücherregalen frei. Das Denkmal wurde von Micha
Ullman gestaltet. 20.000 Bücher würden darin Platz
finden, genau so viel wie damals verbrannt wurden. Das Foto gibt
nichts her, ich weiß. Es ist nur der Vollständigkeit
halber hier.
Fast hätten wir die Zeit übersehen, zu
der wir uns wieder mit Silvia treffen wollten. So müssen wir
ganz schnell das Gebiet um den Bebelplatz verlassen. Wir haben
damit leider wieder nicht alle Sehenswürdigkeiten in diesem
Bereich "abgearbeitet". Das wird dann morgen
nachgeholt, bitte noch etwas Geduld!
Wir treffen Silvia in der Nähe des
S-Bahnhofes Friedrichstraße. Sie berichtet von ihrem
ausgesprochen schmackhaften Mittagessen bei den "12
Aposteln". Ach herrje! Wir drei haben ja eigentlich auch
mal Hunger. Der Gedanke an eine Pizza trägt da natürlich
wesentlich dazu bei. Was tun? Silvia meint, dass es ihr nichts
ausmacht, nochmals mit uns dorthin zu gehen. Das Lokal liegt in
den S-Bahn-Bögen in der Georgenstraße. Beim Reingehen
empfinde ich es zunächst gar nicht als sonderlich
sympathisch, es ist großräumig, voll und laut. Aber
wir finden einen Tisch in der Ecke, genau hinter dem Holzstoß
für den Pizza-Ofen. Und dort sitzt man gemütlich und in
Ruhe. Die Bedienung ist flink und freundlich, die Pizza ist
perfekt, die Preise sind um die Mittagszeit ausgesprochen
günstig. Scheint ein wirklicher Geheimtipp zu sein. Also ich
kann es wärmstens empfehlen.
  
Wir lassen uns Zeit, nach dem intensiven
Besichtigungsprogramm der letzten Tage haben wir uns auch mal ein
wenig Gemütlichkeit ohne Auf-die-Uhr-Schauen verdient.
 
Es
ist schon mittlerer Nachmittag, als wir endlich wieder
aufbrechen. Von hier ist es nur ein Katzensprung zu dem Teil der
Museumsinsel, den wir gestern am Abend aus Müdigkeit übrig
gelassen haben. Die Pflicht-Fotos vom Pergamon- und vom
Bode-Museum sind schnell erledigt. Über die Monbijou-Brücke
erreichen wir den kleinen Platz vor dem Eingang des Bode-Museums,
um auch gleich wieder über den zweiten Teil der Brücke
die Museumsinsel zu verlassen.
Von dort geht es weiter die Monbijoustraße
entlang, bis wir auf die Oranienburger Straße treffen. Ein
kurzes Stück nach links, und wir stehen vor der Neuen
Synagoge. Sie wurde im maurisch-byzanthinischen Stil nach einem
Entwurf von Eduard Knoblauch von Friedrich August Stüler
errichtet. Sie war damals die größte Synagoge
Deutschlands. In der Progrom-Nacht wurde
sie zwar in Brand gesteckt, aber es konnte das Schlimmste durch
rechtzeitige Löscharbeiten verhindert werden. Im Zweiten
Weltkrieg jedoch erlitt das Gebäude schwere Schäden,
zusätzlich wurde von der Ruine Baumaterial für andere
Zwecke wegtransportiert. Nach dem Krieg wurde der Großteil
der beschädigten Gebäudeteile abgetragen, nur die
ebenfalls in Mitleidenschaft gezogene Frontfassade blieb stehen.
Eine Zeitlang wurde ein vollständiger Abriss in Erwägung
gezogen, 1988-93 wurde dann doch die Straßenfront und die
Kuppel originalgetreu wieder aufgebaut, dahinter wurde ein Neubau
als Centrum Judaicum errichtet.
Ein
Stück weiter fällt uns an einer Straßenecke ein
Backsteinbau auf. Es handelt sich um das Postfuhramt. Es stammt
aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und war damals
ein großzügiges Verwaltungsgebäude, das auch mit
Ställen für die Post-Pferde ausgestattet war. Erst in
den 80ern erfolgte eine grundlegende Restaurierung und damit
Beseitigung aller Kriegsschäden. Seit 1995 ist der
Postbetrieb dort eingestellt. Das Haus wird als
Ausstellungsgebäude, vor allem für Fotografie,
verwendet, das soll sich aber in nächster Zeit ändern.
In Planung soll ein Hotel und Wohnungen sein.
Unser nächstes Ziel ist das Kunsthaus
Tacheles. Wir wissen nicht ganz genau, was uns da erwartet. Etwas
Außergewöhnliches, Verrücktes stellen wir uns
vor. Aber der Besuch dort übertrifft alle Erwartungen um
Längen. Errichtet wurde der Gebäudekomplex zu Beginn
des 20. Jahrhunderts als Einkaufspassage und erlebte daraufhin
eine wechselvolle Geschichte als Kaufhaus, als Haus der Technik
(die weltweit erste Fernsehübertragung hat hier
stattgefunden), als NSDAP- und SS-Standort, nach dem Krieg als
Reisebüro usw. Der kriegsbeschädigte Bau sollte
abgerissen werden, und das hatte man auch schon schrittweise
begonnen. Im Februar 1990 besetzten ungefähr 50 Künstler,
die Gruppe nannte sich "Tacheles", die Ruine und
verhinderten damit einen weiteren Abriss. Was sich dann hier
entwickelt hat, muss man gesehen haben, es lässt sich nicht
beschreiben und auch nicht wirklich in Fotos präsentieren.
In den 90ern wurde das Zentrum intensiv genutzt. Wie es mit dem
Gelände und dem Gebäude in Zukunft weitergeht, ist im
Moment jedoch unklar. Mir erscheint es eher "auf dem
absteigenden Ast" zu sein. Ich denke, es hat sich
wahrscheinlich irgendwie überlebt. Der Besuch dort war aber
jedenfalls ein Erlebnis der ganz anderen Art.
  
  
  
  
Mit der U-Bahn fahren wir dann vom Oranienburger
Tor zurück zum Bahnhof Zoo. Wir gönnen uns eine
Rastpause im Hotel und fahren am Abend wieder los. Diesmal wieder
einmal mit dem 100er-Bus und gleich durch bis zum Alex. Der ist
im Dunkeln eigentlich viel fotogener als am Tag. Wahrscheinlich
ist es Einbildung, aber heute kommt es mir noch kälter vor,
als es mir ohnehin schon die ganze Zeit vorkommt. Aus der
neon-beleuchteten Kneipe kommt laute Musik. Es stehen Tische und
Sessel heraußen. Das beschert einem irgendwie Assoziationen
an eine laue Sommernacht ... eine leicht irreale Situation, wenn
man gleichzeitig friert.
  
Kurze Zeit später steigen wir in den
200er-Bus und fahren bis zum Potsdamer Platz. Wir möchten
gerne das Sony-Center in abendlicher Beleuchtung erleben. Wenn
ich mir die Fotos so anschaue, war das eine gute Idee. Den
Boulevard der Stars habe ich allerdings nicht richtig ins Bild
gebracht. So wie beim Hollywood Walk of Fame werden hier
Filmgrößen mit einem in den Boden eingelassenen Stern
geehrt. Im September 2010 erfolgte die Einweihung mit 40 Sternen,
in Zukunft soll noch weiter ausgebaut werden.
  
  
Fast unnötig zu erwähnen, dass wir uns
bei McDonalds in der Nähe vom Bahnhof Zoo noch einen Kakao
kaufen ... ja ... auch heute wieder!
Die
kleinen Fotos von den Sehenswürdigkeiten kann man anklicken,
um ein größeres Foto betrachten zu können.
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