"Grenzland"
5. Tag: Strasbourg (Barrage Vauban, La Petite
France/Gerberviertel, Église Saint-Thomas, Place
Gutenberg, Rue Mercières/Krämergasse, Maison
Kammerzell, Cathédrale Notre Dame/Straßburger
Liebfrauenmünster, Palais Rohan, Place du Marché aux
Poissons/Alter Fischmarkt, Ancienne Douane/Altes Zollhaus, Place
Kléber, Aubette/Alte Stadtwache, Église
Saint-Pierre-le-Vieux)
Dieser Tag ist für Straßburg
reserviert. Eines war gleich von vornherein klar, ein Tag reicht
vielleicht, um das Straßburger Münster zu besuchen und
ein paar Sehenswürdigkeiten, die sozusagen zufällig an
einem vorbeikommen bei dieser Gelegenheit, aber nicht mehr. So
wird die Schilderung dieses Tagesausfluges der Stadt unmöglich
auch nur annähernd gerecht werden. Die lange, wechselvolle
Geschichte dieser "Grenzland"-Stadt und die heutige
Bedeutung
für Europa, das alles soll hier nicht Gegenstand der
Betrachtung sein, das würde den Rahmen sprengen. Ich
beschreibe nur, wo wir vorbeigekommen sind und was ich über
diese Sehenswürdigkeiten weiß.
Die Anfahrt ist denkbar einfach. Wir wollen
eigentlich bis Kehl und dort über die Grenze fahren,
überqueren aber dann den Wegweisern folgend schon früher
den Rhein und fahren auf
einer belebten Autostraße auf Straßburg zu, bis wir
eine Abfahrt mit der Ankündigung "centre" finden.
Und da sind wir wirklich schon fast mitten drin, mehrere
Wegweiser zu Parkhäusern stellen uns vor die Wahl. Auf einem
lesen wir "La petite France". Dieses malerische
Viertel, das auch als Gerberviertel bezeichnet wird, wollen wir
ohnehin besuchen, darum stellen wir in diesem Parkhaus unser Auto
ab. Das erweist sich als eine gute Wahl, denn von dort aus können
wir alles, was wir sehen wollen, gut erreichen.
Wir befinden uns hier in unmittelbarer Nähe
des Musée d’art moderne et contemporain, ein
moderner Gebäudekomplex, und der Barrage Vauban, eine Ende
des 17. Jahrhunderts vom Festungsbaumeister Ludwigs XIV.
errichtete
Schleusenanlage über die Ill. Sie liegt gegenüber den
Ponts Couverts. Diese sind ehemals gedeckte Brücken, die die
vier Nebenarme der Ill überspannen. Den Namen tragen sie
noch heute, obwohl die Überdachung nicht mehr vorhanden ist.
Die dazugehörigen Befestigungstürme gehen teilweise bis
auf das 13. Jahrhundert zurück.
Dahinter liegt La Petite France (das
Gerberviertel), eine der mit Recht touristischen
Hauptattraktionen Straßburgs. Wunderschön restauriert,
gepflegt und mit hübschem Blumenschmuck, so präsentiert
sich dieser Stadtteil den Besuchern. Man wird gar nicht fertig
mit Schauen und Fotografieren.
Wir stehen gerade auf einer Brücke und
schauen auf dem Stadtplan nach, welchen Weg wir zum Münster
einschlagen sollen. Und schon werden wir von einem freundlichen
Franzosen gefragt, ob wir Hilfe brauchen. Es ist erstaunlich:
Gerhard kann relativ gut Französisch, hat es aber in den
letzten Jahren wenig gebraucht. Das Verstehen ist kein Problem,
aber seine Antwort kommt ganz automatisch auf Italienisch: "No,
grazie!".
Die Église Saint-Thomas ist nach dem
Münster die zweitgrößte Kirche Straßburgs
und die wichtigste protestantische Kirche der ganzen Region.
Schon im 6. Jahrhundert wurde hier der Apostel Thomas verehrt.
Der heutige Bau wurde Ende des 12. Jahrhunderts begonnen und
dauerte bis ins 16. Jahrhundert.
Von außen ist an dieser romanischen Kirche
das festungsartige Erscheinungsbild auffallend, von der
Innenausstattung sind die zahlreichen Grabdenkmäler und die
musikalisch bedeutenden Orgeln erwähnenswert. Die beiden
bekanntesten Grabmäler sind zum einen der Sarkophag des
Bischofs Adeloch aus dem 12. Jahrhundert (mangels ausreichender
Vorinformation ist uns diese Sehenswürdigkeit entgangen) und
zum anderen das riesengroße spätbarocke Mausoleum des
Marschalls Hermann Moritz von Sachsen (welches sich unübersehbar
in der Apsis anstelle eines Hochaltares befindet). Die Hauptorgel
ist eine Silbermann-Orgel, auf der W. A. Mozart gespielt haben
soll, die Chororgel wurde von Albert Schweitzer geplant.
In einem kleinen durch eine Glaswand abgetrennten
Teil des Eingangsbereiches sitzt eine ältere Dame, umgeben
von diversem Infomaterial. Beim Verlassen der Kirche grüße
ich sie, sie antwortet mit einem besonders liebenswürdigen
Lächeln "Au revoir, Madame!". Ich komme
mir daraufhin vor wie die allerwichtigste Touristin, die jemals
diese Kirche betreten hat.
Auf dem Weg zur Cathédrale Notre Dame
(Straßburger Liebfrauenmünster; Link
zur WebSite des Münsters) kommen wir am Place Gutenberg
vorbei, wo sich ein Denkmal des Erfinders des Buchdruckes
befindet.
Nun sind wir nicht mehr weit vom Münster
entfernt. Der Turm überragt bereits die Häuserzeile auf
diesem Platz. Wir
biegen in die Rue Mercières (Krämergasse) ein und
gehen direkt auf die Kirche zu. Diese schmale Gasse gibt den
Blick auf die gesamte Eingangsfront des Münsters erst nach
und nach frei. Und dieser Blick ist wirklich wunderschön und
beeindruckend.
An der linken Seite des Platzes steht ein
spätgotisches Juwel, das Kammerzellhaus, ein im 15.
Jahrhundert errichtetes Bürgerhaus, das im 16. Jahrhundert
mit einer dunklen Schnitzfassade versehen wurde. Das Besondere
daran ist, dass dieses Haus noch weitgehend im Originalzustand
ist. Zahlreiche weitere gut erhaltene und gepflegte
Fachwerkhäuser bilden zusammen mit der Westseite des
Münsters einen sehr schönen und geschlossen wirkenden
Platz.
Aber wir richten nun wieder das Augenmerk auf die
Fassade des Münsters. Die ist wirklich gewaltig, ich mache
viele Fotos und habe dann später beim Erstellen dieser Seite
ziemliche Schwierigkeiten, mich für eine Auswahl an Bildern
zu entscheiden, so eine Fülle von Figuren und Verzierungen
..... und der tolle Eindruck, wenn man ganz nahe dran steht und
nach oben blickt ....
Die Vorgängerbauten des Münsters
reichen bis in die karolingische Zeit zurück. Das jetzige
Gebäude wurde zwischen dem 12. und dem 15. Jahrhundert in
romanischem und später gotischem Stil erbaut. Über 200
Jahre lang (bis in die 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts) war
es das höchste Gebäude der Welt. Auffallend ist die
Asymmetrie. Der Südturm wurde wohl geplant, aber niemals
gebaut.
Es fängt zu tröpfeln an, was uns dazu
bewegt, ins Innere der Kirche zu gehen. Mein erster Eindruck:
Mein Gott, ist das ein Gewimmel hier! Ich sehe zunächst
einmal nur mehrere Kerzenständer, wo man eine gerade
gekaufte Kerze entzünden und aufstellen
kann und gegenüber einen langen Verkaufsstand für
Bücher, Broschüren und Devotionalien. Dazwischen eine
Menge Leute, die auf einen großen Flachbildschirm, der
bezeichnet wo sich die astronomische Uhr befindet, zustreben.
Gut, wir streben also auch darauf zu. Die Uhr
befindet sich im südlichen Querhaus der Kirche. Davor
herrscht Gedränge. Sie sieht auch sehr effektvoll aus.
Bereits im 14. Jahrhundert gab es im Münster eine
astronomische Uhr. Von der im 16. Jahrhundert gebauten und bis
Ende des 18. Jahrhunderts im Einsatz befindlichen sind
noch das Gehäuse und Teile der Malerei erhalten. Das jetzt
laufende Uhrwerk stammt aus der Mitte des 19. Jahrhunderts. Es
hat einige wirklich ausgefallene Besonderheiten, mit denen ich
mich aber nicht näher befassen möchte. Schräg
davor befindet sich der Engels- oder Weltgerichts-Pfeiler.
Mittels Münzeinwurf kann diese Uhr mit
Scheinwerfern beleuchtet werden, was natürlich dazu führt,
dass alle Fotografen geduldig warten, bis sich wieder jemand
findet, das erforderliche Geldstück zu opfern. Und dann wird
natürlich wie wild auf den Auslöser gedrückt.
Wir hätten uns jetzt gerne in aller Ruhe die
ganze Kirche angesehen. Aber es ergeht uns wie zwei Tage vorher
in Freiburg. Die Mittagsandacht zwingt uns, unsere
Besichtigungspläne auf etwas
später zu verschieben. Wir verlassen also das Gotteshaus und
bummeln ohne festes Ziel durch die Altstadt. Wir gehen durch
viele schmale Gassen, kommen an einem Wochenmarkt und am
Stadttheater vorbei.
"Bistrot et chocolat" -mmmhhh! Das Wort
"chocolat" zergeht einem förmlich auf der Zunge
und macht noch viel mehr Gusto auf Süßes als das Wort
"Schokolade". Langsam macht sich außerdem ohnehin
ein ganz normales Hungergefühl bei uns bemerkbar. Wir werden
nach einem geeigneten Lokal Ausschau halten, beschließen
wir.
Wir gehen jetzt durch eine Gasse mit einem
hübschen Namen. Die elsässische Sprache verstehe ich ja
überhaupt nicht. Da noch eher das Französische, also
bei zweisprachigen Schildern kapiere ich das elsässische
Wort nur aufgrund des französischen
Gegenstücks.
Nicht so bei der "Rue de la Rape -
Riebisegass". Hier hat mir zusätzlich nämlich
Italienisch
einen Streichgespielt. "La rapa - Rübe, Kohlrabi".
Was um alles in der Welt haben Rüben mit Ribiseln
(österreichisch für Johannisbeeren) zu tun? Klingt zwar
witzig, kann es aber wirklich nicht sein! Doch was sonst? Also
schnell ein Foto ... und zu Hause dann nachschauen! Es war ganz
einfach. "La râpe - Raspel, Reibe" ... da hätte
ich auch von selber draufkommen können. Und dann war auch
das zweite Schild klar: Ein "Riebise" ist ein
Reibeisen, wie simpel!
Langsam nähern wir uns dann vom Osten her
wieder dem Münster. Zwischen der Südseite des Münsters
und der Ill liegt das Palais Rohan, ein barockes Stadtschloss, in
dem heute mehrere Museen untergebracht sind. Im Laufe der
Geschichte beherbergte es Ludwig XV., Marie Antoinette, Napoleon
Bonaparte und seine Gemahlinnen Joséphine und
Marie-Louise. Auf der Münster-Seite befindet sich der
Eingang zum großen Innenhof. Ich frage mich, was sich die
zwei steinernen Herren da zu erzählen haben.
Zur Ill hin hat das Schloss eine Terrasse, die
beiderseits von schmiedeeisernen Gittern eingerahmt ist. Der
Platz daneben heißt Place du Marché aux Poissons
(Alter Fischmarkt). Von dort aus starten die Ausflugsboote auf
der Ill.
Wir kommen nun an der Ancienne Douane (dem Alten
Zollhaus) vorbei. Das im 14. Jahrhundert erbaute Gebäude
wurde 1944 zerstört und später originalgetreu
wiedererrichtet. Heute gibt es dort ein Restaurant und
Räumlichkeiten für verschiedene Ausstellungen.
Unweit
davon sticht uns ein Chinesisches Restaurant ins Auge. Wir zögern
ein wenig, denn eigentlich ist es ja nicht sonderlich sinnhaftig,
im Elsass, das ob seiner guten Küche gelobt wird, in ein
China-Restaurant zu gehen. Da wir aber alle drei (und im
besonderen unser
Sohn) diese Art von Essen sehr mögen, lassen wir uns doch
dort im Gastgarten nieder. Es schmeckt wirklich ausgezeichnet.
Bevor wir zurück zum Münster gehen,
höre ich auf der Toilette ein Gespräch von zwei älteren
Damen. Der Inhalt ist belanglos, aber was mir dabei auffällt
ist, dass sie französisch und elsässisch vermischt
miteinander reden. Die eine fragt auf französisch, die
andere gibt auf elsässisch Antwort und redet dann im
nächsten Satz auch französisch weiter. Das hat mich
schon ein wenig verwirrt.
Wir setzen nun die vor einigen Stunden
unterbrochene Besichtigung des Straßburger Münsters
fort. Im Inneren sind besonders die wunderschönen Fenster,
allen voran die Rosette über dem Mittelportal der
Westfassade beeindruckend. Die astronomische Uhr und den
Engelspfeiler im südlichen Querschiff haben wir ja bereits
gesehen. Im nördlichen Querschiff befindet sich eine
Ölberg-Darstellung und ein reich verzierter Taufstein. Hier
wiederholt sich die Geschichte mit dem Münzeinwurf für
das Einschalten der Scheinwerfer, um Fotos von diesen beiden
Sehenswürdigkeiten machen zu können. Hinter dem
Hochaltar entlang der Chorwand wurden erst vor wenigen Jahren
Apostelbüsten aus dunklem Holz aufgestellt, sie stammen von
einem nicht mehr vorhandenen barocken Altar.
Unser nächstes Ziel ist der Place Kléber.
Das Denkmal des Jean-Baptiste Kléber, eines in Straßburg
geborenen französischen Generals, gibt dem Platz seinen
Namen. An einer Längsseite des ziemlich weitläufigen
Platzes beherrscht die Aubette, die ehemalige Stadtwache, ein
neoklassizistisches Gebäude, die Ansicht. Auch einen
Springbrunnen hat der Platz zu bieten. Allerdings muss ich dabei
an den gestrigen Besuch in Freudenstadt denken, dagegen ist diese
Anlage eine "matte Sache". Aber sonst macht der Platz
einen gepflegten und auch sehr geschäftigen Eindruck.
Auf dem Rückweg zur Parkgarage
kommen wir noch an der Église Saint-Pierre-le-Vieux
vorbei. Genaugenommen sind das zwei Kirchen, die direkt
aneinandergebaut, man könnte fast sagen verschachtelt, sind.
Eine davon ist protestantisch und eine katholisch. Wir gehen
einmal um den Gebäudekomplex herum und stellen fest, dass
der protestantische Teil abgeschlossen ist. Während wir noch
überlegen, ob wir zum Portal des katholischen Teiles
zurückgehen sollen, bemerken wir, dass sich über uns
ein ordentlicher Regenguss zusammenbraut. Wir ziehen es daher
vor, auf schnellstem Weg die Richtung zur Parkgarage
einzuschlagen. Wir haben es gerade noch geschafft, trockenen
Fußes das Auto zu erreichen. Von den Kosten für die
Parkgarage waren wir angenehm überrascht, wir haben ja doch
einige Stunden in Straßburg verbracht.
Wir verlassen Straßburg, und da haben wir
erst schätzen gelernt, wie schnell wir am Vormittag
hereingekommen sind. Wir haben uns zwar an die Wegweiser
gehalten, aber es hat fast eine Stunde gedauert, bis wir aus dem
Stadtgebiet wieder draußen waren. Der Verkehr war sehr
dicht, und wir haben offensichtlich auch nicht die beste
Fahrtroute erwischt.
Auf der Heimfahrt kaufen wir noch einen zweiten
Gelsenstecker. Für Gerhard und mich haben wir ohnehin einen
von zu Hause mitgebracht, aber unser Sohn mag das normalerweise
nicht haben. Die Gelsen sind aber hier extrem rabiat, wir sind
alle schon ganz zerstochen, darum wird ein zweites Stück
angeschafft. Heute ist es weitaus zu kühl, um auf dem Balkon
zu Abend zu essen, und die ganze Nacht schüttet es.
Die absolute Gemeinheit ist: Bei uns zu Hause
hält das heiße Sommerwetter noch die ganze Woche, in
der wir weg sind, an. Da wird es erst schlecht, als wir wieder
nach Hause kommen, aber dafür dann auch ganz plötzlich
und mit starkem Temperaturrückgang. Wir haben sozusagen den
Herbst aus dem Schwarzwald-Urlaub mitgebracht.
Die
kleinen Fotos von den Sehenswürdigkeiten kann man anklicken,
um ein größeres Foto betrachten zu können.
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