Helga Buchegger
Reisegeschichten

 

"Grenzland"

 

5. Tag:
Strasbourg (Barrage Vauban, La Petite France/Gerberviertel, Église Saint-Thomas, Place Gutenberg, Rue Mercières/Krämergasse, Maison Kammerzell, Cathédrale Notre Dame/Straßburger Liebfrauenmünster, Palais Rohan, Place du Marché aux Poissons/Alter Fischmarkt, Ancienne Douane/Altes Zollhaus, Place Kléber, Aubette/Alte Stadtwache, Église Saint-Pierre-le-Vieux)

Dieser Tag ist für Straßburg reserviert. Eines war gleich von vornherein klar, ein Tag reicht vielleicht, um das Straßburger Münster zu besuchen und ein paar Sehenswürdigkeiten, die sozusagen zufällig an einem vorbeikommen bei dieser Gelegenheit, aber nicht mehr. So wird die Schilderung dieses Tagesausfluges der Stadt unmöglich auch nur annähernd gerecht werden. Die lange, wechselvolle Geschichte dieser "Grenzland"-Stadt und die heutige Bedeutung für Europa, das alles soll hier nicht Gegenstand der Betrachtung sein, das würde den Rahmen sprengen. Ich beschreibe nur, wo wir vorbeigekommen sind und was ich über diese Sehenswürdigkeiten weiß.

Die Anfahrt ist denkbar einfach. Wir wollen eigentlich bis Kehl und dort über die Grenze fahren, überqueren aber dann den Wegweisern folgend schon früher den Rhein und fahren auf einer belebten Autostraße auf Straßburg zu, bis wir eine Abfahrt mit der Ankündigung "centre" finden. Und da sind wir wirklich schon fast mitten drin, mehrere Wegweiser zu Parkhäusern stellen uns vor die Wahl. Auf einem lesen wir "La petite France". Dieses malerische Viertel, das auch als Gerberviertel bezeichnet wird, wollen wir ohnehin besuchen, darum stellen wir in diesem Parkhaus unser Auto ab. Das erweist sich als eine gute Wahl, denn von dort aus können wir alles, was wir sehen wollen, gut erreichen.

Wir befinden uns hier in unmittelbarer Nähe des Musée d’art moderne et contemporain, ein moderner Gebäudekomplex, und der Barrage Vauban, eine Ende des 17. Jahrhunderts vom Festungsbaumeister Ludwigs XIV. errichtete Schleusenanlage über die Ill. Sie liegt gegenüber den Ponts Couverts. Diese sind ehemals gedeckte Brücken, die die vier Nebenarme der Ill überspannen. Den Namen tragen sie noch heute, obwohl die Überdachung nicht mehr vorhanden ist. Die dazugehörigen Befestigungstürme gehen teilweise bis auf das 13. Jahrhundert zurück.

Dahinter liegt La Petite France (das Gerberviertel), eine der mit Recht touristischen Hauptattraktionen Straßburgs. Wunderschön restauriert, gepflegt und mit hübschem Blumenschmuck, so präsentiert sich dieser Stadtteil den Besuchern. Man wird gar nicht fertig mit Schauen und Fotografieren.

Wir stehen gerade auf einer Brücke und schauen auf dem Stadtplan nach, welchen Weg wir zum Münster einschlagen sollen. Und schon werden wir von einem freundlichen Franzosen gefragt, ob wir Hilfe brauchen. Es ist erstaunlich: Gerhard kann relativ gut Französisch, hat es aber in den letzten Jahren wenig gebraucht. Das Verstehen ist kein Problem, aber seine Antwort kommt ganz automatisch auf Italienisch: "No, grazie!".

Die Église Saint-Thomas ist nach dem Münster die zweitgrößte Kirche Straßburgs und die wichtigste protestantische Kirche der ganzen Region. Schon im 6. Jahrhundert wurde hier der Apostel Thomas verehrt. Der heutige Bau wurde Ende des 12. Jahrhunderts begonnen und dauerte bis ins 16. Jahrhundert.

Von außen ist an dieser romanischen Kirche das festungsartige Erscheinungsbild auffallend, von der Innenausstattung sind die zahlreichen Grabdenkmäler und die musikalisch bedeutenden Orgeln erwähnenswert. Die beiden bekanntesten Grabmäler sind zum einen der Sarkophag des Bischofs Adeloch aus dem 12. Jahrhundert (mangels ausreichender Vorinformation ist uns diese Sehenswürdigkeit entgangen) und zum anderen das riesengroße spätbarocke Mausoleum des Marschalls Hermann Moritz von Sachsen (welches sich unübersehbar in der Apsis anstelle eines Hochaltares befindet). Die Hauptorgel ist eine Silbermann-Orgel, auf der W. A. Mozart gespielt haben soll, die Chororgel wurde von Albert Schweitzer geplant.

In einem kleinen durch eine Glaswand abgetrennten Teil des Eingangsbereiches sitzt eine ältere Dame, umgeben von diversem Infomaterial. Beim Verlassen der Kirche grüße ich sie, sie antwortet mit einem besonders liebenswürdigen Lächeln "Au revoir, Madame!". Ich komme mir daraufhin vor wie die allerwichtigste Touristin, die jemals diese Kirche betreten hat.

Auf dem Weg zur Cathédrale Notre Dame (Straßburger Liebfrauenmünster; Link zur WebSite des Münsters) kommen wir am Place Gutenberg vorbei, wo sich ein Denkmal des Erfinders des Buchdruckes befindet.

Nun sind wir nicht mehr weit vom Münster entfernt. Der Turm überragt bereits die Häuserzeile auf diesem Platz. Wir biegen in die Rue Mercières (Krämergasse) ein und gehen direkt auf die Kirche zu. Diese schmale Gasse gibt den Blick auf die gesamte Eingangsfront des Münsters erst nach und nach frei. Und dieser Blick ist wirklich wunderschön und beeindruckend.

An der linken Seite des Platzes steht ein spätgotisches Juwel, das Kammerzellhaus, ein im 15. Jahrhundert errichtetes Bürgerhaus, das im 16. Jahrhundert mit einer dunklen Schnitzfassade versehen wurde. Das Besondere daran ist, dass dieses Haus noch weitgehend im Originalzustand ist. Zahlreiche weitere gut erhaltene und gepflegte Fachwerkhäuser bilden zusammen mit der Westseite des Münsters einen sehr schönen und geschlossen wirkenden Platz.

Aber wir richten nun wieder das Augenmerk auf die Fassade des Münsters. Die ist wirklich gewaltig, ich mache viele Fotos und habe dann später beim Erstellen dieser Seite ziemliche Schwierigkeiten, mich für eine Auswahl an Bildern zu entscheiden, so eine Fülle von Figuren und Verzierungen ..... und der tolle Eindruck, wenn man ganz nahe dran steht und nach oben blickt ....

Die Vorgängerbauten des Münsters reichen bis in die karolingische Zeit zurück. Das jetzige Gebäude wurde zwischen dem 12. und dem 15. Jahrhundert in romanischem und später gotischem Stil erbaut. Über 200 Jahre lang (bis in die 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts) war es das höchste Gebäude der Welt. Auffallend ist die Asymmetrie. Der Südturm wurde wohl geplant, aber niemals gebaut.

Es fängt zu tröpfeln an, was uns dazu bewegt, ins Innere der Kirche zu gehen. Mein erster Eindruck: Mein Gott, ist das ein Gewimmel hier! Ich sehe zunächst einmal nur mehrere Kerzenständer, wo man eine gerade gekaufte Kerze entzünden und aufstellen kann und gegenüber einen langen Verkaufsstand für Bücher, Broschüren und Devotionalien. Dazwischen eine Menge Leute, die auf einen großen Flachbildschirm, der bezeichnet wo sich die astronomische Uhr befindet, zustreben.

Gut, wir streben also auch darauf zu. Die Uhr befindet sich im südlichen Querhaus der Kirche. Davor herrscht Gedränge. Sie sieht auch sehr effektvoll aus. Bereits im 14. Jahrhundert gab es im Münster eine astronomische Uhr. Von der im 16. Jahrhundert gebauten und bis Ende des 18. Jahrhunderts im Einsatz befindlichen sind noch das Gehäuse und Teile der Malerei erhalten. Das jetzt laufende Uhrwerk stammt aus der Mitte des 19. Jahrhunderts. Es hat einige wirklich ausgefallene Besonderheiten, mit denen ich mich aber nicht näher befassen möchte. Schräg davor befindet sich der Engels- oder Weltgerichts-Pfeiler.

Mittels Münzeinwurf kann diese Uhr mit Scheinwerfern beleuchtet werden, was natürlich dazu führt, dass alle Fotografen geduldig warten, bis sich wieder jemand findet, das erforderliche Geldstück zu opfern. Und dann wird natürlich wie wild auf den Auslöser gedrückt.

Wir hätten uns jetzt gerne in aller Ruhe die ganze Kirche angesehen. Aber es ergeht uns wie zwei Tage vorher in Freiburg. Die Mittagsandacht zwingt uns, unsere Besichtigungspläne auf etwas später zu verschieben. Wir verlassen also das Gotteshaus und bummeln ohne festes Ziel durch die Altstadt. Wir gehen durch viele schmale Gassen, kommen an einem Wochenmarkt und am Stadttheater vorbei.

"Bistrot et chocolat" -mmmhhh! Das Wort "chocolat" zergeht einem förmlich auf der Zunge und macht noch viel mehr Gusto auf Süßes als das Wort "Schokolade". Langsam macht sich außerdem ohnehin ein ganz normales Hungergefühl bei uns bemerkbar. Wir werden nach einem geeigneten Lokal Ausschau halten, beschließen wir.

Wir gehen jetzt durch eine Gasse mit einem hübschen Namen. Die elsässische Sprache verstehe ich ja überhaupt nicht. Da noch eher das Französische, also bei zweisprachigen Schildern kapiere ich das elsässische Wort nur aufgrund des französischen Gegenstücks.

Nicht so bei der "Rue de la Rape - Riebisegass". Hier hat mir zusätzlich nämlich Italienisch einen Streichgespielt. "La rapa - Rübe, Kohlrabi". Was um alles in der Welt haben Rüben mit Ribiseln (österreichisch für Johannisbeeren) zu tun? Klingt zwar witzig, kann es aber wirklich nicht sein! Doch was sonst? Also schnell ein Foto ... und zu Hause dann nachschauen! Es war ganz einfach. "La râpe - Raspel, Reibe" ... da hätte ich auch von selber draufkommen können. Und dann war auch das zweite Schild klar: Ein "Riebise" ist ein Reibeisen, wie simpel!

Langsam nähern wir uns dann vom Osten her wieder dem Münster. Zwischen der Südseite des Münsters und der Ill liegt das Palais Rohan, ein barockes Stadtschloss, in dem heute mehrere Museen untergebracht sind. Im Laufe der Geschichte beherbergte es Ludwig XV., Marie Antoinette, Napoleon Bonaparte und seine Gemahlinnen Joséphine und Marie-Louise. Auf der Münster-Seite befindet sich der Eingang zum großen Innenhof. Ich frage mich, was sich die zwei steinernen Herren da zu erzählen haben.

Zur Ill hin hat das Schloss eine Terrasse, die beiderseits von schmiedeeisernen Gittern eingerahmt ist. Der Platz daneben heißt Place du Marché aux Poissons (Alter Fischmarkt). Von dort aus starten die Ausflugsboote auf der Ill.

Wir kommen nun an der Ancienne Douane (dem Alten Zollhaus) vorbei. Das im 14. Jahrhundert erbaute Gebäude wurde 1944 zerstört und später originalgetreu wiedererrichtet. Heute gibt es dort ein Restaurant und Räumlichkeiten für verschiedene Ausstellungen.

Unweit davon sticht uns ein Chinesisches Restaurant ins Auge. Wir zögern ein wenig, denn eigentlich ist es ja nicht sonderlich sinnhaftig, im Elsass, das ob seiner guten Küche gelobt wird, in ein China-Restaurant zu gehen. Da wir aber alle drei (und im besonderen unser Sohn) diese Art von Essen sehr mögen, lassen wir uns doch dort im Gastgarten nieder. Es schmeckt wirklich ausgezeichnet.

Bevor wir zurück zum Münster gehen, höre ich auf der Toilette ein Gespräch von zwei älteren Damen. Der Inhalt ist belanglos, aber was mir dabei auffällt ist, dass sie französisch und elsässisch vermischt miteinander reden. Die eine fragt auf französisch, die andere gibt auf elsässisch Antwort und redet dann im nächsten Satz auch französisch weiter. Das hat mich schon ein wenig verwirrt.

Wir setzen nun die vor einigen Stunden unterbrochene Besichtigung des Straßburger Münsters fort. Im Inneren sind besonders die wunderschönen Fenster, allen voran die Rosette über dem Mittelportal der Westfassade beeindruckend. Die astronomische Uhr und den Engelspfeiler im südlichen Querschiff haben wir ja bereits gesehen. Im nördlichen Querschiff befindet sich eine Ölberg-Darstellung und ein reich verzierter Taufstein. Hier wiederholt sich die Geschichte mit dem Münzeinwurf für das Einschalten der Scheinwerfer, um Fotos von diesen beiden Sehenswürdigkeiten machen zu können. Hinter dem Hochaltar entlang der Chorwand wurden erst vor wenigen Jahren Apostelbüsten aus dunklem Holz aufgestellt, sie stammen von einem nicht mehr vorhandenen barocken Altar.

Unser nächstes Ziel ist der Place Kléber. Das Denkmal des Jean-Baptiste Kléber, eines in Straßburg geborenen französischen Generals, gibt dem Platz seinen Namen. An einer Längsseite des ziemlich weitläufigen Platzes beherrscht die Aubette, die ehemalige Stadtwache, ein neoklassizistisches Gebäude, die Ansicht. Auch einen Springbrunnen hat der Platz zu bieten. Allerdings muss ich dabei an den gestrigen Besuch in Freudenstadt denken, dagegen ist diese Anlage eine "matte Sache". Aber sonst macht der Platz einen gepflegten und auch sehr geschäftigen Eindruck.

Auf dem Rückweg zur Parkgarage kommen wir noch an der Église Saint-Pierre-le-Vieux vorbei. Genaugenommen sind das zwei Kirchen, die direkt aneinandergebaut, man könnte fast sagen verschachtelt, sind. Eine davon ist protestantisch und eine katholisch. Wir gehen einmal um den Gebäudekomplex herum und stellen fest, dass der protestantische Teil abgeschlossen ist. Während wir noch überlegen, ob wir zum Portal des katholischen Teiles zurückgehen sollen, bemerken wir, dass sich über uns ein ordentlicher Regenguss zusammenbraut. Wir ziehen es daher vor, auf schnellstem Weg die Richtung zur Parkgarage einzuschlagen. Wir haben es gerade noch geschafft, trockenen Fußes das Auto zu erreichen. Von den Kosten für die Parkgarage waren wir angenehm überrascht, wir haben ja doch einige Stunden in Straßburg verbracht.

Wir verlassen Straßburg, und da haben wir erst schätzen gelernt, wie schnell wir am Vormittag hereingekommen sind. Wir haben uns zwar an die Wegweiser gehalten, aber es hat fast eine Stunde gedauert, bis wir aus dem Stadtgebiet wieder draußen waren. Der Verkehr war sehr dicht, und wir haben offensichtlich auch nicht die beste Fahrtroute erwischt.

Auf der Heimfahrt kaufen wir noch einen zweiten Gelsenstecker. Für Gerhard und mich haben wir ohnehin einen von zu Hause mitgebracht, aber unser Sohn mag das normalerweise nicht haben. Die Gelsen sind aber hier extrem rabiat, wir sind alle schon ganz zerstochen, darum wird ein zweites Stück angeschafft. Heute ist es weitaus zu kühl, um auf dem Balkon zu Abend zu essen, und die ganze Nacht schüttet es.

Die absolute Gemeinheit ist: Bei uns zu Hause hält das heiße Sommerwetter noch die ganze Woche, in der wir weg sind, an. Da wird es erst schlecht, als wir wieder nach Hause kommen, aber dafür dann auch ganz plötzlich und mit starkem Temperaturrückgang. Wir haben sozusagen den Herbst aus dem Schwarzwald-Urlaub mitgebracht.

 

Die kleinen Fotos von den Sehenswürdigkeiten kann man anklicken, um ein größeres Foto betrachten zu können.

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