"Grenzland"
1. Tag: Anreise, Speyer (Sonnensteg,
Altstadt, Fischmarkt, Altpörtel, Maximilianstraße,
Kaiserdom mit Krypta und Grablege, Heidentürmchen),
Weiterfahrt nach Schuttertal, Bezug der Ferienwohnung
Wir müssen bald aufstehen, die Fahrt von
Linz über Passau, Regensburg, Nürnberg, Heilbronn wird
mehrere Stunden beanspruchen. Für die Besichtigung von
Speyer soll noch Zeit bleiben, und wir müssen rechtzeitig in
der Ferienwohnung in Schuttertal einlangen. Also den Wecker auf
Morgengrauen einstellen, ein wenig frühstücken, das
Auto einräumen und los geht’s! Die Fahrt verläuft
ohne besondere Vorkommnisse. Wir kommen in keinen einzigen Stau,
aber der Verkehr ist ziemlich dicht. Fahren auf deutschen
Autobahnen gehört nicht gerade zu den angenehmsten
Erlebnissen.
Natürlich ist mir die Bausparkasse Wüstenrot
(die es auch in Österreich gibt) ein Begriff, auch
Schwäbisch-Hall verbinde ich mit dem gleichen Geschäftsfeld.
Ich wusste auch, dass dies Orte in Deutschland sind, aber wo
genau…, das hatte mich bisher noch nie interessiert. Als
ich nun die Wegweiser an den Autobahnabfahrten lese, habe ich ein
„Aha“-Erlebnis.
Wirklich lachen muss ich dann bei der Ausfahrt
„Tripsdrill“. Als Kind hörte ich von meiner Oma
öfter den Ausdruck „nach Trüpsdrü gehen“,
gemeint war damit „irgendwohin, ganz unbestimmt,
aber weit weg,… also so was wie: weiß der Kuckuck,
wohin…“, und zwar ohne dass ich jemals gewusst habe,
dass es diesen Ort wirklich gibt. Also es gibt ihn, und wir
fahren gerade daran vorbei.
Wir kommen mit einem kleinen Zeitpolster in
Speyer an. Unser Sohn wird erst ein wenig später mit dem Zug
von Frankfurt kommen. Schon von der Autobahn aus sieht man den
Dom. Er ist gewaltig, das größte romanische Bauwerk
der Welt.
Wir nehmen den Weg ins Zentrum und finden eine
gute Parkmöglichkeit. Wir sind da schon relativ nahe beim
Dom. Über einen kleinen Weg mit ein paar Stufen sind wir in
ein paar Minuten bei diesem riesigen Gotteshaus. Wir gehen ein
Stück seitlich entlang und treten dann von der Seite auf den
Domvorplatz.
Das Gebäude ist schon von außen sehr
beeindruckend. Hinein können wir nicht, denn es beginnt in
einigen Minuten eine Veranstaltung, alles ist abgesperrt. Wir
werden also, wenn wir uns mit unserem Sohn getroffen haben,
zuerst einen Rundgang durch die Stadt machen, bevor wir dann
gemeinsam den Dom besichtigen können.
Jetzt gehen wir aber erst einmal am Dom vorbei in
Richtung Kunsthistorisches Museum. Es ist im Stil eines
Renaissance-Schlosses erbaut und beherbergt im Moment eine
Samurai-Ausstellung. Mittlerweile kommt ein Telefon-Anruf unseres
Sohnes. Er ist bereits vom Bahnhof Speyer aus zu uns unterwegs,
die Sicht auf den Dom ist ihm offensichtlich aus dieser Richtung
kommend verstellt, darum weiß er nicht genau, wie er
weitergehen soll. Das lässt sich aber schnell klären.
Wir gehen ihm entgegen, und es dauert nicht lange und wir treffen
zusammen.
Als erstes verstauen wir sein Gepäck im
Auto. Dann kaufen wir uns eine Erfrischung im Gasthaus "Zum
Halbmond". Von dort aus starten wir unseren Stadtrundgang.
Wir überqueren den Speyerbach auf dem Sonnensteg, einer
kleinen gepflasterten Brücke, von der aus man den Dom in
seiner ganzen Länge von Norden aus betrachten kann.
Wir kommen dann zum Kloster St. Magdalena, wo die
Karmeliterin Dr. Edith Stein gewirkt hat. Hier ist ein hübscher,
sehr gepflegter Stadtteil mit Fachwerkhäusern und
blumengeschmückten Fenstern, wie ich überhaupt die
ganze Stadt Speyer als sehr ansprechend und fotogen empfinde.
Über den Speyerbach, auf einer anderen
Brücke wieder zurück, kommen wir zum Fischmarkt. Dort
ist eine Brunnenplastik in Form eines Fisches aufgestellt, die
Wasser
in ein rundes Becken speit. Auf dem Platz sind Bankerl
aufgestellt und durch die vielen Bäume dort ist es schattig
und kühl.
Wir gehen anschließend durch sehr belebte
Gassen mit vielen Geschäften und Kaffeehäusern und
treffen kurz vor dem Altpörtel auf die Maximilianstraße.
Das Altpörtel ist ein noch aus der mittelalterlichen
Stadtbefestigung stammendes Stadttor. Dahinter befindet sich der
Postplatz. In unmittelbarer Nähe liegen die
Gedächtniskirche, eine
im neugotischen Stil zu Beginn des 20. Jahrhunderts errichtete
protestantische Kirche, und die wiederum dazu wenig später
als Gegenpol erbaute katholische Josephs-Kirche.
Speyer
spielte eine wichtige Rolle in der Geschichte des
Protestantismus. Am Reichstag zu Speyer im Jahre 1529 haben 16
Fürsten und 14 Reichsstädte gegen die Verhängung
der Reichsacht gegen Martin Luther „protestiert“.
Diese „Protestation zu Speyer“ gilt als Besiegelung
der Trennung des christlichen Westeuropa und damit als
Geburtsstunde des Protestantismus. Der Name „Protestanten“
wurde von dort weg für die Anhänger
der reformatorischen Bewegung verwendet. Die Gedächtniskirche
wurde zur Erinnerung daran errichtet.
Zurück in die Jetztzeit: Dieses
Friseurgeschäft muss unbedingt fotografiert werden. Ich
glaube, man muss schon sehr mutig sein, wenn man seinen
wertvollen Kopf zur Verschönerung gerade hierhin trägt.
Denn was ist, wenn die das wahr machen, was ihr Name verspricht
….. ?
Wir drehen nun wieder um und gehen beim Altpörtel
vorbei zurück auf die Maximilianstraße. Diese breite
Straße wurde bereits im Mittelalter zwischen Stadttor und
Dom angelegt, ist heute eine Einkaufsstraße und führt
schnurgerade bis zum Domvorplatz. Hier ist wirklich viel los. Ein
Geschäft reiht sich an das andere, in den Gastgärten
der Kaffee- und Gasthäuser sitzen viele Leute und genießen
den schönen Sommertag. Recht lang wird das tolle Wetter
nicht mehr anhalten, ein Wetterumschwung steht sozusagen schon
vor der Tür.
Wir kommen am Gebäude „Alte
Münze“ vorbei. Von hier weg verbreitert sich die
Maximilianstraße zu einem richtigen Boulevard. Die
Dreifaltigkeitskirche ist eine spätbarocke Kirche, in dieser
Region eine Ausnahmeerscheinung. Wir gehen am
Rathaus vorbei und auf den Kaiserdom zu. Direkt gegenüber
vom Hauptportal liegt das Stadthaus. Zwischen Stadthaus und Dom
befindet sich der Domvorplatz mit dem Domnapf.
Dieser
Bereich trennte früher die Freie Reichsstadt Speyer vom
Hoheitsgebiet des Bischofs. Von dieser Grenze weg galt die
Dom-Immunität. Wenn ein neuer Bischof einzog, endete dort
das Geleitrecht, der Bischof musste den Napf mit Wein füllen
lassen (1.580 Liter Fassungsvermögen) und alle Bürger
hatten das Recht, daraus zu trinken.
Speyer war im Mittelalter eine der bedeutendsten
Städte des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation.
Die Grundsteinlegung für den Speyerer Kaiserdom (Link
zur WebSite des Domes) erfolgte im Jahre 1030 unter dem
Salier-Kaiser Konrad II. Die Domweihe erfolgte 1061,
fertiggestellt wurde der Dom erst im Jahre 1111, er war der
größte Kirchenbau seiner Zeit und damit ein Symbol für
die kaiserliche Macht und das Christentum.
Heinrich IV. ist von Speyer aus im Jahre 1077
nach Canossa aufgebrochen. Außerdem spielt Speyer auch eine
geschichtliche Rolle bei den Predigten des Bernhard von Clairvaux
und dem Beginn des 2. Kreuzzuges sowie bei der Auslieferung des
Richard Löwenherz an Heinrich VI.
Die Veranstaltung im Dom ist mittlerweile vorbei,
und wir können nun in das Innere des Gotteshauses. Ich war
schon einmal hier, das war vor fast dreißig Jahren. Ich war
damals von dieser romanischen Kathedrale begeistert, die Größe
und die Schlichtheit hat mich total überwältigt. Ich
habe auch immer geschwärmt davon und wollte wieder hin ……
Also die Wirkung ist kolossal, immer noch. Aber manchmal neigt
man dazu, Dinge aus der Vergangenheit „überdimensional“
in der Erinnerung abzuspeichern, dann ist man ein wenig
enttäuscht, wenn man wiederkommt. Und das ist mir hier
passiert.
Faktum
ist, wir befinden uns in der größten romanischen
Kirche der Welt. Einschränkend muss man sich natürlich
vor Augen halten, dass sie mehrfach umgebaut und renoviert wurde.
Also bei weitem nicht alles, was man hier sieht, stammt wirklich
aus dieser Zeit. Aber der Eindruck
eines romanischen Gotteshauses wurde teilweise bewahrt, teilweise
aber auch Mitte des 20. Jahrhunderts durch Re-Romanisierung
wiederhergestellt.
Und
es ist wahrhaft beeindruckend, was man hier zu sehen bekommt. Man
sollte den riesigen, leeren Raum mit der vor dem Altar
aufgehängten übergroßen Kaiserkrone einfach
einmal ein paar Minuten auf sich wirken lassen.
Wir gehen dann in die Reliquienkapelle und werfen
auch einen kurzen Blick in die darunterliegende Taufkapelle. Mein
Mann und mein Sohn wollen nicht mit in die Krypta und zur
Grablege. So gehe ich halt alleine, das möchte ich mir doch
nicht entgehen lassen, wenn ich schon mal hier bin. Der
überdimensionale Kerzenhalter links vom Zugang zur Krypta
mag vielleicht
ein Kunstwerk sein, die Lichter wirken auf der matt glänzenden
Oberfläche auch ganz gut, aber irgendwie passt dieser Koloss
nicht in die Schlichtheit dieser Kirche.
Eine Krypta hat immer etwas Mystisches. Ich
versuche in dem düsteren Gewölbe ein paar halbwegs
brauchbare Fotos zu machen. Vor dem Hauptaltar der Krypta
befindet sich ein Taufbecken, das um 1100 aufgestellt wurde.
Gegenüber wacht die steinerne Figur Rudolph I. von Habsburg
am Zugang zur Grablege. Dieser Teil der Krypta stammt erst aus
dem Beginn des 20. Jahrhunderts. Über einen engen Gang kann
man an den Grabplatten von acht Kaisern und Königen und
deren Gemahlinnen vorbeigehen. Die Leute drängen sich da
durch, der Raum hat überhaupt keine Atmosphäre.
Wir verlassen daraufhin gemeinsam den Dom und
schließen noch einen Rundgang um das Gebäude an. Der
Ölberg ist das Relikt eines sonst nicht mehr vorhandenen
Kreuzganges. Ungewohnte Klänge sind zu hören, ich kann
nicht genau einordnen, was es ist, aber es ist auf alle Fälle
keine Musik "aus der Konserve“. Es stellt sich heraus,
dass hier ein Xylophonspieler tätig ist, klingt echt gut.
Wir kommen nun am Heidentürmchen vorbei. Es
stammt aus dem 13. Jahrhundert und ist so wie das Altpörtel
ein Teil der mittelalterlichen Stadtbefestigung, die damals
insgesamt ungefähr 50 Türme aufwies. Nachdem wir den
Dom in aller Ruhe umrundet haben und ich viele, viele Fotos von
allen Seiten geschossen habe, begeben wir uns zum Auto und
verlassen die Stadt.
Mein Gerhard hat noch ein anstrengendes Stück
Weges vor sich. Auf der Autobahn Richtung Basel ist extrem viel
los, der Verkehr ist stressig und unangenehm, es ist um einiges
ärger als am Vormittag, als wir von Linz nach Speyer
unterwegs waren. Wir treffen ziemlich müde in Schuttertal
ein. Das Haus, wo wir im 1. Stock die Ferienwohnung beziehen
können, finden wir glücklicherweise schnell.
Beim Betreten der Wohnung ist die Freude groß.
Wir haben wirklich Glück gehabt. Sie ist geräumig,
überreich ausgestattet und sehr sauber und gepflegt, ein
echter "Goldgriff" also. Wir schleppen unser Gepäck
herauf, beratschlagen kurz, wer welches Zimmer in Besitz nimmt
und machen es uns gemütlich. Wir sind alle drei sehr müde,
ich lasse mir mit dem Auspacken Zeit. Wir wollen heute gar nichts
mehr unternehmen, nicht mal mehr essen gehen. Wir begnügen
uns mit von zu Hause mitgebrachten Kühlschrank-Resten.
Früher als sonst gehen wir ins Bett.
Die
kleinen Fotos von den Sehenswürdigkeiten kann man anklicken,
um ein größeres Foto betrachten zu können.
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