Helga Buchegger
Reisegeschichten

 

"Grenzland"

 

1. Tag:
Anreise, Speyer (Sonnensteg, Altstadt, Fischmarkt, Altpörtel, Maximilianstraße, Kaiserdom mit Krypta und Grablege, Heidentürmchen), Weiterfahrt nach Schuttertal, Bezug der Ferienwohnung

Wir müssen bald aufstehen, die Fahrt von Linz über Passau, Regensburg, Nürnberg, Heilbronn wird mehrere Stunden beanspruchen. Für die Besichtigung von Speyer soll noch Zeit bleiben, und wir müssen rechtzeitig in der Ferienwohnung in Schuttertal einlangen. Also den Wecker auf Morgengrauen einstellen, ein wenig frühstücken, das Auto einräumen und los geht’s! Die Fahrt verläuft ohne besondere Vorkommnisse. Wir kommen in keinen einzigen Stau, aber der Verkehr ist ziemlich dicht. Fahren auf deutschen Autobahnen gehört nicht gerade zu den angenehmsten Erlebnissen.

Natürlich ist mir die Bausparkasse Wüstenrot (die es auch in Österreich gibt) ein Begriff, auch Schwäbisch-Hall verbinde ich mit dem gleichen Geschäftsfeld. Ich wusste auch, dass dies Orte in Deutschland sind, aber wo genau…, das hatte mich bisher noch nie interessiert. Als ich nun die Wegweiser an den Autobahnabfahrten lese, habe ich ein „Aha“-Erlebnis.

Wirklich lachen muss ich dann bei der Ausfahrt „Tripsdrill“. Als Kind hörte ich von meiner Oma öfter den Ausdruck „nach Trüpsdrü gehen“, gemeint war damit „irgendwohin, ganz unbestimmt, aber weit weg,… also so was wie: weiß der Kuckuck, wohin…“, und zwar ohne dass ich jemals gewusst habe, dass es diesen Ort wirklich gibt. Also es gibt ihn, und wir fahren gerade daran vorbei.

Wir kommen mit einem kleinen Zeitpolster in Speyer an. Unser Sohn wird erst ein wenig später mit dem Zug von Frankfurt kommen. Schon von der Autobahn aus sieht man den Dom. Er ist gewaltig, das größte romanische Bauwerk der Welt.

Wir nehmen den Weg ins Zentrum und finden eine gute Parkmöglichkeit. Wir sind da schon relativ nahe beim Dom. Über einen kleinen Weg mit ein paar Stufen sind wir in ein paar Minuten bei diesem riesigen Gotteshaus. Wir gehen ein Stück seitlich entlang und treten dann von der Seite auf den Domvorplatz.

Das Gebäude ist schon von außen sehr beeindruckend. Hinein können wir nicht, denn es beginnt in einigen Minuten eine Veranstaltung, alles ist abgesperrt. Wir werden also, wenn wir uns mit unserem Sohn getroffen haben, zuerst einen Rundgang durch die Stadt machen, bevor wir dann gemeinsam den Dom besichtigen können.

Jetzt gehen wir aber erst einmal am Dom vorbei in Richtung Kunsthistorisches Museum. Es ist im Stil eines Renaissance-Schlosses erbaut und beherbergt im Moment eine Samurai-Ausstellung. Mittlerweile kommt ein Telefon-Anruf unseres Sohnes. Er ist bereits vom Bahnhof Speyer aus zu uns unterwegs, die Sicht auf den Dom ist ihm offensichtlich aus dieser Richtung kommend verstellt, darum weiß er nicht genau, wie er weitergehen soll. Das lässt sich aber schnell klären. Wir gehen ihm entgegen, und es dauert nicht lange und wir treffen zusammen.

Als erstes verstauen wir sein Gepäck im Auto. Dann kaufen wir uns eine Erfrischung im Gasthaus "Zum Halbmond". Von dort aus starten wir unseren Stadtrundgang. Wir überqueren den Speyerbach auf dem Sonnensteg, einer kleinen gepflasterten Brücke, von der aus man den Dom in seiner ganzen Länge von Norden aus betrachten kann.

Wir kommen dann zum Kloster St. Magdalena, wo die Karmeliterin Dr. Edith Stein gewirkt hat. Hier ist ein hübscher, sehr gepflegter Stadtteil mit Fachwerkhäusern und blumengeschmückten Fenstern, wie ich überhaupt die ganze Stadt Speyer als sehr ansprechend und fotogen empfinde.

Über den Speyerbach, auf einer anderen Brücke wieder zurück, kommen wir zum Fischmarkt. Dort ist eine Brunnenplastik in Form eines Fisches aufgestellt, die Wasser in ein rundes Becken speit. Auf dem Platz sind Bankerl aufgestellt und durch die vielen Bäume dort ist es schattig und kühl.

Wir gehen anschließend durch sehr belebte Gassen mit vielen Geschäften und Kaffeehäusern und treffen kurz vor dem Altpörtel auf die Maximilianstraße. Das Altpörtel ist ein noch aus der mittelalterlichen Stadtbefestigung stammendes Stadttor. Dahinter befindet sich der Postplatz. In unmittelbarer Nähe liegen die Gedächtniskirche, eine im neugotischen Stil zu Beginn des 20. Jahrhunderts errichtete protestantische Kirche, und die wiederum dazu wenig später als Gegenpol erbaute katholische Josephs-Kirche.

Speyer spielte eine wichtige Rolle in der Geschichte des Protestantismus. Am Reichstag zu Speyer im Jahre 1529 haben 16 Fürsten und 14 Reichsstädte gegen die Verhängung der Reichsacht gegen Martin Luther „protestiert“. Diese „Protestation zu Speyer“ gilt als Besiegelung der Trennung des christlichen Westeuropa und damit als Geburtsstunde des Protestantismus. Der Name „Protestanten“ wurde von dort weg für die Anhänger der reformatorischen Bewegung verwendet. Die Gedächtniskirche wurde zur Erinnerung daran errichtet.

Zurück in die Jetztzeit: Dieses Friseurgeschäft muss unbedingt fotografiert werden. Ich glaube, man muss schon sehr mutig sein, wenn man seinen wertvollen Kopf zur Verschönerung gerade hierhin trägt. Denn was ist, wenn die das wahr machen, was ihr Name verspricht ….. ?

Wir drehen nun wieder um und gehen beim Altpörtel vorbei zurück auf die Maximilianstraße. Diese breite Straße wurde bereits im Mittelalter zwischen Stadttor und Dom angelegt, ist heute eine Einkaufsstraße und führt schnurgerade bis zum Domvorplatz. Hier ist wirklich viel los. Ein Geschäft reiht sich an das andere, in den Gastgärten der Kaffee- und Gasthäuser sitzen viele Leute und genießen den schönen Sommertag. Recht lang wird das tolle Wetter nicht mehr anhalten, ein Wetterumschwung steht sozusagen schon vor der Tür.

Wir kommen am Gebäude „Alte Münze“ vorbei. Von hier weg verbreitert sich die Maximilianstraße zu einem richtigen Boulevard. Die Dreifaltigkeitskirche ist eine spätbarocke Kirche, in dieser Region eine Ausnahmeerscheinung. Wir gehen am Rathaus vorbei und auf den Kaiserdom zu. Direkt gegenüber vom Hauptportal liegt das Stadthaus. Zwischen Stadthaus und Dom befindet sich der Domvorplatz mit dem Domnapf.

Dieser Bereich trennte früher die Freie Reichsstadt Speyer vom Hoheitsgebiet des Bischofs. Von dieser Grenze weg galt die Dom-Immunität. Wenn ein neuer Bischof einzog, endete dort das Geleitrecht, der Bischof musste den Napf mit Wein füllen lassen (1.580 Liter Fassungsvermögen) und alle Bürger hatten das Recht, daraus zu trinken.

Speyer war im Mittelalter eine der bedeutendsten Städte des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation. Die Grundsteinlegung für den Speyerer Kaiserdom (Link zur WebSite des Domes) erfolgte im Jahre 1030 unter dem Salier-Kaiser Konrad II. Die Domweihe erfolgte 1061, fertiggestellt wurde der Dom erst im Jahre 1111, er war der größte Kirchenbau seiner Zeit und damit ein Symbol für die kaiserliche Macht und das Christentum.

Heinrich IV. ist von Speyer aus im Jahre 1077 nach Canossa aufgebrochen. Außerdem spielt Speyer auch eine geschichtliche Rolle bei den Predigten des Bernhard von Clairvaux und dem Beginn des 2. Kreuzzuges sowie bei der Auslieferung des Richard Löwenherz an Heinrich VI.

Die Veranstaltung im Dom ist mittlerweile vorbei, und wir können nun in das Innere des Gotteshauses. Ich war schon einmal hier, das war vor fast dreißig Jahren. Ich war damals von dieser romanischen Kathedrale begeistert, die Größe und die Schlichtheit hat mich total überwältigt. Ich habe auch immer geschwärmt davon und wollte wieder hin …… Also die Wirkung ist kolossal, immer noch. Aber manchmal neigt man dazu, Dinge aus der Vergangenheit „überdimensional“ in der Erinnerung abzuspeichern, dann ist man ein wenig enttäuscht, wenn man wiederkommt. Und das ist mir hier passiert.

Faktum ist, wir befinden uns in der größten romanischen Kirche der Welt. Einschränkend muss man sich natürlich vor Augen halten, dass sie mehrfach umgebaut und renoviert wurde. Also bei weitem nicht alles, was man hier sieht, stammt wirklich aus dieser Zeit. Aber der Eindruck eines romanischen Gotteshauses wurde teilweise bewahrt, teilweise aber auch Mitte des 20. Jahrhunderts durch Re-Romanisierung wiederhergestellt.

Und es ist wahrhaft beeindruckend, was man hier zu sehen bekommt. Man sollte den riesigen, leeren Raum mit der vor dem Altar aufgehängten übergroßen Kaiserkrone einfach einmal ein paar Minuten auf sich wirken lassen.

Wir gehen dann in die Reliquienkapelle und werfen auch einen kurzen Blick in die darunterliegende Taufkapelle. Mein Mann und mein Sohn wollen nicht mit in die Krypta und zur Grablege. So gehe ich halt alleine, das möchte ich mir doch nicht entgehen lassen, wenn ich schon mal hier bin. Der überdimensionale Kerzenhalter links vom Zugang zur Krypta mag vielleicht ein Kunstwerk sein, die Lichter wirken auf der matt glänzenden Oberfläche auch ganz gut, aber irgendwie passt dieser Koloss nicht in die Schlichtheit dieser Kirche.

Eine Krypta hat immer etwas Mystisches. Ich versuche in dem düsteren Gewölbe ein paar halbwegs brauchbare Fotos zu machen. Vor dem Hauptaltar der Krypta befindet sich ein Taufbecken, das um 1100 aufgestellt wurde. Gegenüber wacht die steinerne Figur Rudolph I. von Habsburg am Zugang zur Grablege. Dieser Teil der Krypta stammt erst aus dem Beginn des 20. Jahrhunderts. Über einen engen Gang kann man an den Grabplatten von acht Kaisern und Königen und deren Gemahlinnen vorbeigehen. Die Leute drängen sich da durch, der Raum hat überhaupt keine Atmosphäre.

Wir verlassen daraufhin gemeinsam den Dom und schließen noch einen Rundgang um das Gebäude an. Der Ölberg ist das Relikt eines sonst nicht mehr vorhandenen Kreuzganges. Ungewohnte Klänge sind zu hören, ich kann nicht genau einordnen, was es ist, aber es ist auf alle Fälle keine Musik "aus der Konserve“. Es stellt sich heraus, dass hier ein Xylophonspieler tätig ist, klingt echt gut.

Wir kommen nun am Heidentürmchen vorbei. Es stammt aus dem 13. Jahrhundert und ist so wie das Altpörtel ein Teil der mittelalterlichen Stadtbefestigung, die damals insgesamt ungefähr 50 Türme aufwies. Nachdem wir den Dom in aller Ruhe umrundet haben und ich viele, viele Fotos von allen Seiten geschossen habe, begeben wir uns zum Auto und verlassen die Stadt.

Mein Gerhard hat noch ein anstrengendes Stück Weges vor sich. Auf der Autobahn Richtung Basel ist extrem viel los, der Verkehr ist stressig und unangenehm, es ist um einiges ärger als am Vormittag, als wir von Linz nach Speyer unterwegs waren. Wir treffen ziemlich müde in Schuttertal ein. Das Haus, wo wir im 1. Stock die Ferienwohnung beziehen können, finden wir glücklicherweise schnell.

Beim Betreten der Wohnung ist die Freude groß. Wir haben wirklich Glück gehabt. Sie ist geräumig, überreich ausgestattet und sehr sauber und gepflegt, ein echter "Goldgriff" also. Wir schleppen unser Gepäck herauf, beratschlagen kurz, wer welches Zimmer in Besitz nimmt und machen es uns gemütlich. Wir sind alle drei sehr müde, ich lasse mir mit dem Auspacken Zeit. Wir wollen heute gar nichts mehr unternehmen, nicht mal mehr essen gehen. Wir begnügen uns mit von zu Hause mitgebrachten Kühlschrank-Resten. Früher als sonst gehen wir ins Bett.

 

Die kleinen Fotos von den Sehenswürdigkeiten kann man anklicken, um ein größeres Foto betrachten zu können.

zurück zu "Vorgeschichte und Vorbereitung"        zurück zur Übersicht "Grenzland"        weiter zu "2. Tag"        

nach oben

 

Startseite
Aquarellmalerei
Fotografieren
Musik
Elefanten
Tanzen
Reisegeschichten
Über mich

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


 

 

www.frisolda.at/index.html 

Impressum
E-Mail

© 2013 Gerhard Buchegger r