Helga Buchegger
Reisegeschichten

 

"Toskana, erste Auflage"

 

5. Tag und Heimreise:
Duomo Santa Maria del Fiore, Campanile di Giotto, Battistero di San Giovanni, Porta del Paradiso, Piazza dei Ciompi, Loggia del Pesce, Piazzale Michelangelo, Basilica San Miniato al Monte, Palazzo Pitti, Ponte Vecchio, Piazza di Santo Spirito, Basilica di Santo Spirito, Basilica di Santa Maria del Carmine, Chiesa di San Frediano in Cestello, Palazzo Strozzi, Battistero di San Giovanni Innenraum, abendlicher Rundgang, Heimreise

Heute ist also der letzte Tag unserer Reise. Unser Zug geht erst am Abend. Das heißt, wir haben für die noch nicht besuchten Sehenswürdigkeiten in Florenz noch einen ganzen Tag zur Verfügung. Das Hotelzimmer müssen wir natürlich schon früher räumen. Wir können unser Gepäck aber im Hotel deponieren, deswegen ist das kein Problem.

Es wird endlich an der Zeit, den Duomo Santa Maria del Fiore auch von innen zu besichtigen (Info über Öffnungszeiten und Eintrittspreise des gesamten Domkomplexes inklusive Museum findet man hier). Das wird heute unser erster Programmpunkt sein. Vorbeigekommen sind wir hier ja schon viele Male, viele Fotos von außen habe ich schon im Kasten. Der Dom ist in der Stadt auch irgendwie "allgegenwärtig". Oft passiert es einem, dass sich ein Straßenzug öffnet und plötzlich den Blick auf das Gebäude oder die Kuppel freigibt. Und oft sieht man auch nur über den Dächern anderer Gebäude die kleine blank polierte Kugel leuchten, die sich auf der Kuppelspitze befindet. Das gesamte "Ensemble" des Domplatzes, also Dom, Campanile und Baptisterium bildet zu Recht einen Hauptanziehungspunkt in Florenz.

Meine kurze Beschreibung der Baugeschichte enthält relativ viele Jahreszahlen, obwohl ich diese normalerweise möglichst sparsam verwende. In diesem Zusammenhang fand ich sie aber sinnvoll oder sogar notwendig, um die ineinandergreifenden Tätigkeiten und die wechselnden Baumeister an diesen Gebäuden demonstrieren zu können.

Dort, wo sich heute das Baptisterium befindet, gab es möglicherweise schon einen heidnischen Tempel. An der Stelle des Domes wiederum wurde im 4. Jahrhundert mit der Errichtung einer Kirche, die der Heiligen Reparata geweiht wurde, begonnen, und schon im 7. Jahrhundert hat es vermutlich einen frühchristlichen Vorgänger des Baptisteriums gegeben.

1128 zur Kathedrale ernannt, konnte Santa Reparata aufgrund der wachsenden Bevölkerung ihre Aufgaben bald nicht mehr erfüllen. Es dauerte jedoch bis 1289, bis ein großzügiger Neubau beschlossen werden konnte. Nicht zuletzt wollte man aber auch mit der neuen Kathedrale die Konkurrenzstädte der Toskana übertreffen. Zu dieser Zeit gab es ein umfassendes städtebauliches Gesamtkonzept für Florenz, das auch andere Gebäude und Kirchen umfasste und auch den Battistero mit einschloss. Arnolfo di Cambio sollte die Koordination dieses Konzeptes übernehmen. So wurde 1296 mit dem Bau begonnen. Santa Reparata wurde dabei einfach umbaut und erfüllte weiterhin ihre Aufgaben als Gotteshaus.

Als Arnolfo di Cambio 1302 starb, stockten die Arbeiten. Nach einer längeren Pause übernahm 1334 Giotto di Bondone die Leitung, dieser war aber in erster Linie mit der Errichtung des Campanile beschäftigt, nachdem der Turm von Santa Reparata durch einen Brand zerstört worden war. 1337 starb Giotto, zu diesem Zeitpunkt war nur das Untergeschoß des Glockenturmes fertiggestellt. Die Verantwortung für den Kirchenbau ging an Andrea Pisano und später an Francesco Talenti über. Diese beiden Bauherren setzten auch den Turmbau nach Giottos Entwürfen fort, nur die geplante Spitze wurde nicht ausgeführt. 1359 war der Campanile fertig.

1375 war die neue Kirche so weit fertiggestellt, dass die umbaute Santa Reparata abgerissen werden konnte. Im Außenbereich wurde zu dieser Zeit weiter an der Marmorverkleidung und der Gestaltung der Portale gearbeitet.

So fehlte letztlich noch die Kuppel, um das Gesamtwerk komplett zu machen. Es gab bisher lediglich den Unterbau dazu. Filippo Brunelleschi bekam 1418 den Auftrag für den Kuppelbau und erstellte einen genialen Entwurf für eine Doppelschalenkonstruktion, bei der sich die Kuppel quasi von selbst stützt und damit das Problem des riesigen Gewichtes ausschaltet. Nach seinem Tod 1446 erfolgte die Fertigstellung durch Verrocchio und Baccio d'Agnolo. Eine Statue von Brunelleschi, wie er zufrieden den Blick auf sein Werk richtet, befindet sich an einem der Häuser auf dem Domplatz.

Die ursprüngliche Hauptfassade wurde 1587 entfernt, 300 Jahre lang blieb der Dom "ohne Gesicht", erst Ende des 19. Jahrhunderts wurde sie im gotisierenden Stil wiederhergestellt.

Der Duomo Santa Maria del Fiore ist dreischiffig und mit 169 Metern Länge nach dem Petersdom in Rom das größte Gotteshaus in Italien. Die Kuppel erreicht eine Höhe von 107 Metern und ihr Durchmesser beträgt 45 Meter.

Der Campanile di Giotto, dessen plastische Ausschmückung unter anderem von Andrea Pisano und Luca della Robbia stammt, ist 82 Meter hoch, also um einiges niedriger als die Kuppel des Domes. Er ist ein wunderschönes Beispiel florentinischer Gotik, schlank und elegant, er wird in den oberen Geschossen luftiger, da die Fenster nach oben hin größer werden.

Das Baptisterium ist in typisch florentinischer Romanik ausgeführt. Es hat einen oktogonalen Grundriss und die Unterteilung der Inkrustation ist streng symmetrisch. Drei wunderschöne Portale bilden den Zugang zu diesem Gebäude. Das Südportal stammt von Andrea Pisano (1330-1336), das Nordportal (1403-1424) und das Ostportal (1425-1452) von Lorenzo Ghiberti. Letzteres sollte alles je Dagewesene an Schönheit übertreffen. Ghiberti arbeitete daran mit seinen Söhnen und mit Benozzo Gozzoli und Michelozzo. Zeit und Geld spielten dabei keine Rolle. Das Portalbekam deswegen auch später den Namen Porta del Paradiso. Die Originaltafeln aller drei Eingangstore befinden sich heute im Dommuseum.

Das Baptisterium ist erst wieder am Nachmittag geöffnet. Fotos und Infos über den Innenraum gibt es daher erst an einer späteren Stelle des heutigen Berichtstages. Der Dom ist zugänglich, und wir betreten nun also dieses Gotteshaus. Der erste Eindruck mag vielleicht aufgrund des extrem prächtigen Äußeren enttäuschend und leer wirken. Jedoch ist es in Wirklichkeit ein sehr schöner und in seiner Strenge harmonischer Kirchenbau. Oberhalb des Hauptportals befindet sich eine Uhr von Paolo Uccello von 1443 mit vier gemalten Prophetenköpfen. Weiters sind zwei Reiterbildnisse in Freskotechnik, das eine ebenfalls von Paolo Uccello, das andere von Andrea del Castagno, bemerkenswert. Besonders gefällt mir der Kuppelhimmel. Er trägt Fresken von Giorgio Vasari und Federico Zuccari. Sie wurden Mitte des 16. Jahrhunderts geschaffen. In fünf von innen nach außen angelegten Bereichen ist das Jüngste Gericht dargestellt. Vom rechten Seitenschiff aus sind die Reste des tiefergelegenen Teiles von Santa Reparata zugänglich und können besichtigt werden. Es befinden sich dort Freskenreste, Grabplatten und Skulpturen.

Das Dommuseum befindet sich in einem eigenen Gebäude auf dem Domplatz, und zwar in der Nähe der Domapsis. Es werden dort beim Bau verwendete Werkzeuge sowie Kunstwerke und Modelle des gesamten Domkomplexes, unter anderem die Skulpturen der 1587 abgetragenen Domfassade, zwei Sängerkanzeln von Donatello und Luca della Robbia, die Original-Reliefs des Campanile von Andrea Pisano und - wie bereits erwähnt - die Originaltafeln der Portale des Battistero ausgestellt.

Besonders erwähnenswert ist die Pietà von Michelangelo, eines seiner Spätwerke. Sie war lange Zeit im Dom aufgestellt. Im Antlitz des Nikodemus hat Michelangelo seine eigenen Gesichtszüge verewigt. Nach seinem Tod wurde die Figurengruppe von seinem Schüler Tiberio Calcagni fertiggestellt. Dieser fügte auch den linken Arm der Christusstatue wieder an, der - wie auch das fehlende Bein - in einem Anfall von Unzufriedenheit mit seinem Werk vom Meister abgeschlagen worden war. Das Dommuseum wird einen weiteren Punkt in meiner "diesmal-nicht-erledigt"-Liste einnehmen.

Für den Nachmittag stehen außer der Besichtigung des Battistero noch einige Sehenswürdigkeiten auf der anderen Seite des Arno auf dem Programm. Vorher machen wir aber noch einen kleinen Bogen nördlich um den Domplatz und gehen bis zur Piazza dei Ciompi. Dort befindet sich die von Giorgio Vasari gebaute Loggia del Pesce. Daneben sind auf dem Platz kleine Kioske aufgestellt, in denen täglich und ganzjährig eine Art Flohmarkt stattfindet. Dazwischen gibt es viel Grünes und Blühendes, es herrscht dort ein ganz eigenartiges Flair. Man fühlt sich irgendwie wie auf einer Insel, auf der die Kleinigkeiten, die Belanglosigkeiten und der Kitsch die Hauptrolle spielen, so ganz anders als im übrigen Florenz, wo man auf Schritt und Tritt großen Monumenten der Kunstgeschichte begegnet. Ich muss hier gleich zweimal durch die Reihen gehen, einmal zum Fotografieren und einmal zum "Auf-Mich-Wirken-Lassen".

Vorbei an der Basilica di Santa Croce geht es über den Arno, und zwar über den Ponte alle Grazie. Wir möchten nun zum Piazzale Michelangelo, denn der Ausblick von dort auf die Stadt soll einzigartig sein. Wir gehen zu Fuß, aber der Platz wäre auch problemlos mit einem öffentlichen Bus erreichbar.

Unterhalb des Platzes gibt es großzügig angelegte Gartenanlagen, der Rosengarten zum Beispiel soll im Sommer eine Oase der Ruhe sein. Wir kommen auch am Eingang des Shorai-Gartens vorbei, das ist ein japanischer Garten, Florenz hat nämlich eine Städtepartnerschaft mit Kyoto.

Die Anlage würde uns schon interessieren, aber wir erwarten, dass sie im November geschlossen ist. Die Gittertür steht jedoch ein wenig offen, und - neugierig wie wir sind - schlüpfen wir hinein. Die Neugier wird schnell gebremst, denn es dauert keine Minute und ein junger Mann wirft uns kurzerhand wieder hinaus. Der Garten ist geschlossen, man hat offensichtlich nur kurz das Tor offen gelassen, weil etwas geliefert wurde.

Der Piazzale Michelangelo ist ein sehr weitläufiger Platz, der für sich alleine gesehen uninteressant ist. Wenn man davon absieht, dass hier eine weitere Kopie des David aufgestellt ist, auf dessen Sockel sich außerdem noch Kopien von Figuren aus den Cappelle Medicee befinden, gibt es hier nur Beton, Autos, Autobusse und Souvenir-Stände. Aber der Blick ist wirklich grandios.

Zum Erinnerungsfoto-Schießen eignet sich bestens das Eck links vorne. Darum muss man auch ein wenig geduldig sein. Es wird von Pärchen regelrecht "belagert". Aber einmal kommen auch wir dran. Man möge bitte beachten, dass wir eigens einen orangen Schal und ein oranges T-Shirt getragen haben, um der leuchtendroten Kuppel des Duomo Santa Maria del Fiore einen schönen Rahmen geben zu können.

Weiter geht der Aufstieg. Wir wollen auch noch die Basilica San Miniato al Monte besuchen. Sie ist eine der ältesten Kirchen in Florenz. Auf einem Vorgängerbau aus dem 4. Jahrhundert, der dem Heiligen Minias, der hier auf diesem Berg den Märtyrertod starb, geweiht war, wurde zwischen dem 11. und dem 13. Jahrhundert eine romanische Kirche errichtet.

San Miniato al Monte erreicht man über malerisch angelegte Treppen aus dem 19. Jahrhundert. Die Fassade ist zweifarbig marmorverkleidet und stammt aus dem 12. bis 13. Jahrhundert. Der untere Teil besteht aus fünf Blendbögen über drei Toren. Darüber ist ein Mosaik aus dem 13. Jahrhundert zu sehen. Es zeigt Jesus auf dem Thron zwischen Maria und dem Heiligen Minias. Der Kirchturm wurde im 16. Jahrhundert auf den Resten eines im 14. Jahrhundert eingestürzten Turmes errichtet.

Es ist gerade 12:45. Wir hoffen, dass das Gotteshaus nicht schon geschlossen ist und beeilen uns deswegen, zu allererst das Kircheninnere zu besuchen. Der Zeitpunkt war jedoch ganz zufällig besonders gut gewählt. Es gibt nur eine Handvoll Touristen, und die Mönche halten gerade in der Krypta ihr Mittagsgebet. Es ist ein gleichmäßiger, harmonischer, stimmungsvoller Singsang. Und die Kirche ist darüberhinaus schlicht und einfach überwältigend schön. Beides zusammen hinterlässt bei mir einen ganz starken Eindruck. Am Beginn unserer Reise war ich begeistert vom Anblick des Duomo, zwei Tage später sprachlos auf der Piazza dei Miracoli in Pisa, wieder einen Tag später beeindruckt vom Dom in Siena. Heute, am letzten Tag unserer Reise, habe ich hier das wahrscheinlich am meisten die Seele berührende Erlebnis beim Besuch dieser Kirche.

San Miniato al Monte ist reichlich mit Marmorintarsien ausgestattet und sehr ungewöhnlich in der Raumaufteilung. Sie ist dreischiffig, und im Zentrum des Mittelschiffes befindet sich die Cappella del Crocifisso von Michelozzo mit einem Deckengewölbe von Luca della Robbia. Dahinter ist der älteste Teil der Kirche, die große Krypta, in der die Reliquien des San Miniato aufbewahrt werden. Über der Krypta befindet sich das Presbyterium mit der Altarnische, das dadurch also gegenüber dem restlichen Kirchenraum erhöht ist. Das Apsismosaik zeigt wieder den thronenden Christus zwischen der Madonna und San Miniato, ergänzt mit Symbolen der Evangelisten. Es stammt aus dem 13. Jahrhundert. Rechts vom Presbyterium befindet sich die Sakristei mit Fresken aus dem Leben des Heiligen Benedikt.

Zu dem Gebäudekomplex gehört auch noch ein Kloster und der Bischofspalast aus dem 12. Jahrhundert, der später noch erweitert wurde, weiters der Cimitero delle Porte Sante, ein Friedhof, in dem berühmte Persönlichkeiten ihre letzte Ruhe gefunden haben. Der Ausblick auf die Stadt ist auch von hier sehr beeindruckend.

Abwärts geht es in Serpentinen, das Wetter ist halbwegs freundlich, und so eröffnen sich auf dem Weg nach unten immer neue schöne Ausblicke, einmal auf das Panorama der Stadt, einmal auf die umliegenden Hügel mit der für dieses Gebiet typischen Vegetation und Bebauung. Wir kommen an Olivenbäumen und Bambuspflanzen vorbei.

 

Und dann sind wir wieder zurück in der Stadt. Es macht sich nun wieder einmal die "So-richtig-freut-es-uns-nicht-mehr"-Stimmung breit. Das ist anscheinend für den letzten Reisetag schon so etwas wie Gewohnheit. Aber vielleicht können wir uns mit einem kleinen Mittagessen wieder motivieren. Auf der Suche nach einer Trattoria kommen wir nochmals am Palazzo Pitti vorbei. Links vom Palast kann man einen Blick auf ein Stück des Boboli-Gartens werfen. Man sieht ein paar Statuen und den Eingang zu einer eigenartigen Grotte, die Grotta Grande wie ich dann nachträglich herausfinde, ein Beispiel des Manierismus. Vasari, Ammanati und Buontalenti haben daran gearbeitet.

Gerade kommt ein wenig die Sonne heraus, mir gefallen die Tauben, die sich ins Mauerwerk ducken. Das kommt natürlich aufs Foto, genauso wie der bekrönte, strenge Löwe an der Fassade, der scharf nach rechts blickt, und die fünfarmige, fotogene Laterne.

In einer kleinen Häuserpassage lassen wir uns dann für unseren schon ziemlich verspäteten Mittagsimbiss nieder. Es ist bereits 14:30. Gerhard isst eine Pizza Quattro Formaggi, Michael Spaghetti Carbonara und ich eine Lasagne. Der Wirt freut sich, weil wir ihm sagen, dass uns sein Hauswein schmeckt. Er bringt uns daraufhin ein kleines Teller mit Cantuccini. Dass ich weiß, wie dieses Gebäck heißt, freut ihn auch, "Si, si, sono Cantucci di Prato!"

Wir sind in der Nähe der Ponte Vecchio, und so schlage ich vor, diese noch einmal zu überqueren, um ein paar Fotos zu machen, wenn es nicht regnet und sie belebt ist. Die Schmuckgeschäfte haben auch wirklich geöffnet, und es sind einige Leute unterwegs. Aber durch die vielen Gerüste kommt die Brücke auch heute nicht wirklich zur Geltung. Von der Ferne betrachtet sieht sie gut aus, auch als Aussichtspunkt auf den Arno und die Uferpromenaden ist sie perfekt geeignet, aber sonst finde ich sie eher uninteressant.

Wir gehen gleich wieder über die Brücke zurück, denn unsere weiteren Ziele befinden sich ja auf der anderen Seite des Arno. Das nächste davon ist die Basilica di Santo Spirito. Sie ist über Mittag geschlossen. Eine Viertelstunde fehlt noch, bis sie wieder geöffnet wird. Das macht gar nichts, denn sie liegt auf einem hübschen Platz, der auf mich irgendwie "vorstädtisch" wirkt, und zwar im eindeutig positiven Sinn. Es ist also nicht unangenehm, hier ein wenig auf und ab zu spazieren und gleich einmal ein paar Fotos von der Aussenansicht der Kirche sowie vom Platz und dem darauf befindlichen Brunnen zu machen.

Dann wird die Kirche geöffnet. Sie gefällt mir sehr gut. Ich empfinde alles, was ich da sehe, als wunderschöne Einheit. Es passt alles zusammen, wirkt wie aus einem Guss. Kein Wunder, der Entwurf stammt von Filippo Brunelleschi, dem "Renaissance-Architekten-Genie". Die Kirche wurde auf den Überresten einer Vorgängerin aus dem 13. Jahrhundert errichtet. Brunelleschi hat sie deswegen nicht - wie für eine Renaissance-Kirche üblich - als Zentralraum geplant, sondern auf dem Grundriss des lateinischen Kreuzes der bestehenden Kirche.

Sie ist dreischiffig mit vielen korinthischen Säulen, und Brunelleschi hat auch besonderes Augenmerk auf die Farbgestaltung gelegt. Der ganze Raum wirkt ausgesprochen edel. Nach seinem Tod wurde das Kircheninnere durch seinen Schüler Antonio Manetti genauestens nach den Plänen des Meisters weitergeführt.

Die Fassade Brunelleschis kam allerdings nicht zur Ausführung, die heute vorhandene, die auffallend schlicht ist, stammt erst aus dem 17. Jahrhundert. Bedeutende Kunstwerke in dieser Kirche sind unter anderem von Filippo Lippi, Maso di Banco, Donatello, Ghirlandaio und Sansovino. Angeblich hat in irgendwelchen unteren Räumen der junge Michelangelo in der Nacht bei Kerzenlicht heimlich Leichen seziert, was damals verboten war, aber er wollte die Anatomie des Menschen studieren. Das könnte natürlich aber durchaus ein Märchen sein.

Ganz in der Nähe von Santo Spirito liegt die Basilica di Santa Maria del Carmine. Wir kommen auch daran vorbei. Der Reiseführer berichtet, dass sowohl die Fassade als auch das Innere uninteressant sind. Nur eine der Kapellen, die wie durch ein Wunder bei einem Brand im 18. Jahrhundert unversehrt geblieben ist, ist künstlerisch bedeutend. Es handelt sich um die berühmte Brancacci-Kapelle mit einem einzigartigen Freskenzyklus aus der Frührenaissance. Er wurde von Masaccio und Masolino geschaffen und Ende des 20. Jahrhunderts aufwändig restauriert.

Ich glaube mich zu erinnern, dass der Eingangsbereich der Kirche eingerüstet war. Wir wissen zu diesem Zeitpunkt bereits, dass um diese Tageszeit der Eintritt zur Kapelle nicht mehr möglich ist. Bei Durchsicht meiner Fotos habe ich nur dieses eine Bild gefunden. Warum ich gerade den Briefschlitz fotografiert habe, weiß ich nicht, wahrscheinlich ist mein Kopf schon ein wenig auf "Abreise" eingestellt.

Trotzdem interessiert mich jetzt noch, welche Kirche das ist, die die Silhouette südlich des Arno beherrscht. Besonders am Abend fällt ihre gut beleuchtete, hochaufragende Kuppel auf. Das ist natürlich schnell herausgefunden. Es handelt sich um die Chiesa di San Frediano in Cestello. Die Reiseführer schweigen sich über sie aus. Da wir nun aber schon mal da sind, gehen wir auch hinein.

Es ist außergewöhnlich finster im Inneren. Ich mache ein paar Fotos, nur mit viel Aufhellung habe ich eines davon so weit "hingequält", dass ich es hier in einer kleinen Version einfügen kann. Aber ich gebe zu, man sieht noch immer nicht wirklich recht viel darauf.

Als wir wieder hinausgehen, ist es auch draußen schon relativ finster geworden. Die Straßenbeleuchtung ist mittlerweile eingeschaltet. Wir gehen zurück über den Arno. Auf der Brücke fotografiere ich noch einmal in Richtung Ponte Vecchio. Die Stimmung gefällt mir, es ist noch nicht ganz finster, also der Wolkenhimmel beherrscht noch das Bild, aber gleichzeitig spiegeln sich die bereits beleuchteten Gebäude effektvoll auf der glatten Wasseroberfläche.

Wir haben noch ein wichtiges Ziel: Die Innenbesichtigung des Battistero di San Giovanni, das will ich noch unbedingt sehen. Auf dem Weg dahin kommen wir am Palazzo Strozzi vorbei, und das nicht zum ersten Mal.

Der abendliche Innenhof mit den beleuchteten Arkaden ist ein hübscher Blickfang. Auf einem Touch-Screen kann man einige der Säle des Palastes virtuell besuchen. Es ist hier zurzeit die Ausstellung "Inganni ad arte" zu sehen, eine sicherlich sehr interessante Zusammenstellung von Kunstwerken des Trompe-l'oeil von der Antike bis zur Gegenwart. Die Plakate dafür sind sehr präsent und haben uns den ganzen Florenz-Aufenthalt begleitet. Seltsamerweise haben sie es aber nicht auf eines meiner Fotos geschafft.

Wir streben also auf den Domplatz zu. Es ist inzwischen ganz finster geworden, aber es sind relativ viele Leute unterwegs. Nun also der Besuch des Baptisteriums! Mein Sohn und mein Mann geben mir einen Korb. Sie lassen mich alleine. Ich will mir das aber auf keinen Fall entgehen lassen. Und das war eine richtige Entscheidung. Denn die Innenbesichtigung des Battistero di San Giovanni ist für mich ein gelungener Abschluss der Reise, der letzte Höhepunkt sozusagen.

Es ist wirklich sehenswert. Der Kuppelhimmel ist besonders schön. Ich mache massenweise Fotos, damit hoffentlich ein paar gute dabei sind. In allen möglichen Verrenkungen versuche ich dieses Kunstwerk so gut es geht aufs Bild zu bannen. Die anderen Besucher tun dasselbe, ich denke, dass es für einen Betrachter ganz lustig ausschauen muss, wie sich alle bemühen, einen guten Winkel einzunehmen. Eine junge Frau löst das Problem äußerst praktisch. Sie legt sich einfach genau in der Mitte mit dem Rücken auf den Boden, stützt die Ellbogen auf und hält die Kamera mit beiden Händen.

Die Mosaiken stammen aus venezianischen und florentinischen Schulen des 13. und 14. Jahrhunderts. Die Motive sind farbenprächtig und auf Goldgrund gearbeitet. In konzentrischen Streifen sind Heilige, Engel und biblische Szenen detailreich dargestellt und über und über mit Ornamenten verziert. Über der Apsis ist die Darstellung des Christus Pantokrator beherrschend, da sie mehrere der Streifen einnimmt.

Die Wände und der Boden bestehen aus Marmorintarsien. Das Taufbecken steht in diesem Fall nicht in der Mitte des Gebäudes sondern an der Wand und ist derzeit leider von Gerüsten umgeben. Weiters ist eine Skulptur des Johannes des Täufers zu sehen sowie das Grabmal des Gegenpapstes Johannes XXIII, das von Donatello geschaffen wurde. Auf dem kleingemusterten Boden befindet sich ein astrologisches Monument. Es stammt von Strozzo Strozzi. Auf einem kleinen Ring um eine Sonnendarstellung ist der von hinten nach vorne gleich zu lesende Satz "en giro torte sol ciclos et rotor igne" (Ich, die Sonne, lasse mit meinem Feuer die Kreise drehen und drehe mich auch selbst.) zu lesen. Auf dem Foto ist das leider nicht sehr gut zu sehen.

Ich halte mich eine Zeitlang in diesem schönen Gebäude auf. Ich will gar nicht so recht zurück nach draußen, denn die Stunden bis zur Abreise werden sich noch ziemlich ziehen. Fotografieren kann man nicht mehr gut, denn es ist schon finster, die Möglichkeit noch ein Museum zu besuchen ist vorbei, denn die sind schon alle zu, und außerdem sind die Füße schon müde. Aber dann verlasse ich doch den Battistero mit einem letzten bewundernden Blick auf die Kuppel und treffe auf dem Domplatz wieder mit meinen Begleitern zusammen.

Wir haben nun wirklich kein Ziel mehr, außer rechtzeitig zur Abfahrt auf dem Bahnhof Santa Maria Novella einzutreffen. So bummeln wir durch die Altstadt und kommen auch noch einmal auf die Piazza della Signoria.

Da findet gerade eine "Parade" statt. Ich finde es zum Schmunzeln. Verkaufsstände, die für den Rest des Tages dicht gemacht wurden, werden offensichtlich in irgendein nächtliches Depot gebracht. Und dabei defilieren sie quer über die Piazza. Sieht wirklich witzig aus!

Und dann wird es Zeit für mich, von meinem Freund Neptun Abschied zu nehmen. Ich kann mir nicht helfen, ich finde seinen Blick einfach doof.

Zurück ins Hotel, Gepäck holen, in den Zug steigen und die Heimreise antreten! Noch vor dem Start gibt es eine ziemliche Verwirrung. Wir haben Platzkarten in einem Großraumwagen. Der Waggon mit unserer Wagennummer ist jedoch einer mit Abteilen, d.h. man kann die Nummerierung nicht darauf anwenden. Mir war das vorher auch nicht bewusst, aber in einem Waggon mit 6er-Abteilen sind jeweils die Endzahlen 7, 8 und 9 gar nicht vorhanden. Also eine Nummer 78, wie wir sie haben, kann es gar nicht geben. Wir können nur herausbekommen, dass die Waggons offensichtlich aus irgendeinem für uns unerfindlichen Grund getauscht wurden. Nun ja, wir können damit leben, aber es gestaltet sich etwas schwierig, allen anderen Reisenden, die hilflos oder protestierend - je nach Naturell - an uns herantreten, klarzumachen, dass man gar nicht auf dem richtigen Platz sitzen könnte, auch wenn man wollte.

Aber das legt sich dann wieder, als alle ein Plätzchen gefunden haben. Das Thema taucht nur noch einmal in Venedig auf. Da bekommen wir in unserem Abteil Gesellschaft. Ein großer, stattlicher Mann, der extrem viel Gepäck mit sich führt, reißt die Abteiltür auf, poltert ohne irgendeinen Gruß herein, schnaubt und schnieft und telefoniert lauthals (auf Italienisch, aber ich habe das Gefühl, es ist nicht seine Muttersprache).

Auch er meint, dass wir eigentlich auf seinem Platz sitzen. Erklärungsversuche scheitern, und er setzt sich dann leicht gereizt halt einfach neben uns, nachdem er seine mindestens sechs oder sieben riesigen Gepäckstücke endlich in den Zug gehievt und im Abteil verstaut hat. Ich gestehe, ich würde gerne wissen, was er alles mit sich führt. Denn in einer Tasche klirrt und klingelt es, als ob er einen Haufen Geschirr oder Besteck drinnen hätte. Aber es geht mich schließlich nichts an - zugegeben!

Sonst kann ich mich an keine Details dieser Heimfahrt erinnern. Es ist diesmal besonders öd und langweilig, zeitweise ist mir ziemlich kalt, und schlafen kann ich nicht sehr viel. Beim Aussteigen in Wien kann sich unser Poltergeist sogar ein brummiges "Arrivederci" abringen. Im Nachhinein tut er mir sogar ein wenig leid. Denn seine Situation in Venedig war wirklich nicht leicht. Er war total im Stress, denn er musste ja die restlichen Gepäckstücke jeweils am Bahnsteig zurücklassen, während er das, was er mit einem Mal tragen konnte in den Zug transportierte. Und er sollte ja auch damit fertig sein, bevor der Zug abfährt.

Wie dem auch sei ... auch die fadeste Fahrt geht einmal zu Ende. Bald sitzen wir im Zug von Wien nach St. Valentin, bald darauf im Auto, und schon sind wir auch wieder zu Hause. Mit einem Haufen Schmutzwäsche, mit einem Haufen Fotos und mit einem Haufen Erinnerungen! Und alle drei Dinge gehören sortiert und versorgt.

 

Die kleinen Fotos von den Sehenswürdigkeiten kann man anklicken, um ein größeres Foto betrachten zu können.

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