"Toskana, erste Auflage"
2. Tag: Chiesa
di Orsanmichele, Palazzo Davanzati, Mercato di San Lorenzo,
Basilica di San Lorenzo, Cappelle Medicee, Palazzo
Medici-Riccardi, Galleria dell' Accademia dell' Arte del Disegno,
Ospedale degli Innocenti, Basilica della Santissima Annunziata,
Cimitero degli Inglese, Tempio Maggiore Israelitico, Mercato di
Sant' Ambrogio, Casa Buonarroti, Galleria degli Uffizi, Piazza
della Repubblica, Palazzo Strozzi, Basilica di Santa Maria
Novella, Parrocchia dei Santi Michele e Gaetano
Das Frühstück im Hotel ist reichhaltig
und ganz in Ordnung. Zu Begeisterungsstürmen reißt es
uns nicht hin, aber es gibt genügend Auswahl an Schinken,
Käse, Gebäck, Süßem, Säften, Tee und
Kaffee. Der Toaster hat es in sich. Wir beobachten eine Zeitlang
belustigt, welche Schwierigkeiten er ein paar Hotelgästen
bereitet. Die Scheiben werden in das Gerät eingeworfen und
sollen an einer anderen Stelle wieder getoastet zum Vorschein
kommen. Ist das Auffangtablett nicht in der richtigen Stellung,
verschwindet der Toast auf Nimmerwiedersehen irgendwo im
Hintergrund. Man kann immer wieder einen reinfüttern, es
kommt keiner heraus.
Gestärkt machen wir uns dann auf den Weg.
Wir haben einen langen Florenz-Tag vor uns. Wir müssen viel
unterbringen, denn für den nächsten Tag haben wir einen
Ausflug nach Pisa geplant. Zusätzlich liebäugeln wir
mit einem Ausflug nach Siena am übernächsten Tag. Das
bedeutet, dass dann nachher nur mehr ein Tag (der Abreisetag) für
die restlichen Besichtigungen in Florenz zur Verfügung
steht. Wir müssen dafür einige Streichungen im Programm
(vor allem Museen, das fällt uns aber nicht sonderlich
schwer) in Kauf nehmen, denn die Chance, noch zwei andere Städte
zu sehen, wollen wir uns nicht entgehen lassen.
Als erstes steht die Chiesa di Orsanmichele auf
dem Programm. Das ist ein interessanter Bau aus dem 14.
Jahrhundert. Er wurde nämlich nicht als Kirche errichtet,
sondern als Getreidespeicher. Mit einer Überführung ist
die Kirche mit dem Palazzo della Lana, dem ehemaligen Sitz der
Wollweberzunft verbunden. Die Umwandlung in ein Gotteshaus
erfolgte zum Ende des 14. Jahrhunderts. Dieser Umstand macht mich
neugierig. Von außen sieht das Gebäude wie ein Palazzo
aus. Im Inneren wirkt dieser "unkirchenhafte" Raum
wirklich großartig. Ich bin total begeistert.
  
Man muss hier keinen Eintritt zahlen, außer
man besucht das im Obergeschoß eingerichtete Museum. Aber
dafür wird man darauf hingewiesen, dass man nicht
fotografieren darf. Und hier wird das auch strengstens
kontrolliert. Es gibt einen Aufpasser in dieser Kirche. Der hat
effektiv Stress! Und er macht den Leuten, die das
Fotografierverbot umgehen wollen auch Stress. Ich möchte
fotografieren, mein Sohn möchte fotografieren, und ich
schätze, dass noch drei oder vier andere Personen mit
gezücktem Fotoapparat auf ihre Chance warten. Dieser Mann
ist aber überall gleichzeitig. Kaum hat man  sich
hinter einer Säule versteckt, hat man ihn auch schon wieder
im Rücken und er herrscht einem unfreundlich an "No
photos!". Könnte man nur kurz abdrücken, würde
es gehen, aber man muss ja irgendwo aufstützen, denn das
Licht ist nicht so besonders gut in dieser Kirche. Ich versuche
es immer wieder, und immer wieder taucht er vor mir auf oder
wirft seinen strengen Blick quer durch die ganze Kirche aus dem
gegenüberliegenden Eck.
Dann auf einmal passiert etwas Unerwartetes. Sein
Handy läutet. Er verlässt die Kirche. Und draußen
telefoniert er ganz intensiv, aufgrund seines Gesichtsausdruckes
und seiner Gestik würde ich schließen ... mit einer
jungen Dame. Wenig später taucht diese auch wirklich auf.
Und es ist ihm nun ganz egal, was die Fotografen da drinnen in
seiner Kirche machen. Wir können alle unbehelligt
fotografieren, so viel wir wollen. Als wir die Kirche verlassen,
steht er noch immer mit der Dame auf der Straße und
flirtet.
 Was
jetzt natürlich schon blöd ist: Unsere Fotos sind
trotzdem nicht wirklich gut geworden, ich habe Mühe für
diesen Reisebericht ein halbwegs scharfes Foto zu finden. Das ist
schade, denn es ist ein wirklich wunderschönes Gotteshaus,
gerade weil der Raum so ungewöhnlich für eine Kirche
ist.
Nicht weit davon entfernt befindet sich der
Palazzo Davanzati mit seiner prächtigen Fassade. Der wird im
Moment gerade renoviert und das Museum neu adaptiert. Das sieht
man von außen zwar nicht, aber Im Foyer ist eine
provisorische Ausstellung untergebracht. Es sollen auch noch
andere Bereiche frei zugänglich sein, aber wir haben es
nicht ausprobiert.
Wieder ein Stück weiter des Weges sticht mir
erneut die in Reih und Glied angeordnete Reihe der Motorroller
ins Auge. Aber da steht einer verkehrt herum, das ist ja
Anarchie!

Unser nächstes Ziel ist die
Gegend um San Lorenzo. Das ist eines der ältesten
Marktviertel in Florenz. Die größte Lebensmittelhalle
der Stadt befindet sich hier. Rund um die Basilica di San Lorenzo
erstreckt sich außerdem ein Touristenmarkt,
wo man Taschen, Schuhe, Tücher, T-Shirts und alles Mögliche
und Unmögliche erstehen kann. Mit "unmöglich"
meine ich zum Beispiel, eine Portion "Trippe" zu
kaufen. Das sind Kutteln. Ich möchte sowas um alles in der
Welt nicht essen, auch nicht kosten müssen. Ich bin zwar ein
Genießer der italienischen Küche und für
Spezialitäten daraus, die ich noch nicht kenne, immer zu
haben, aber das ... nein! Gerhard überlegt kurz, aber dann
hat ihn mein zauderliches Gesicht auch davon abgehalten.
San Lorenzo ist eine der ältesten
Kirchen in Florenz. Sie geht zurück auf das 4. Jahrhundert.
Lange Zeit war sie die Pfarrkirche der Medici und die Kathedrale
der Stadt,
bevor sie in dieser Eigenschaft von dem Vorgängerbau des
Duomo abgelöst wurde. Der romanische Bau wurde im 15.
Jahrhundert erneuert, die Medici beauftragten zunächst
Brunelleschi mit einem Erweiterungsbau, der heutigen Sagrestia
Vecchia (der Alten Sakristei) und dann mit einer Erneuerung des
Langschiffes. Die Arbeiten wurden nach seinem Tod von einem
Schüler fortgeführt. Die Sagrestia Nuova (die Neue
Sakristei) wurde von Michelangelo geplant. Die Cappelle Medicee,
ebenfalls von Michelangelo, gehören zwar baulich zur
Basilica,sind aber nicht von der Kirche aus, sondern über
einen eigenen Eingang zu betreten. Zum Gebäudekomplex gehört
auch noch die Biblioteca Medicea Laurenziana, sie wurde von
Cosimo de' Medici, dem Älteren, gegründet und nach
seinem Enkel Lorenzo de' Medici benannt.
 Wir
bummeln zunächst weiter durch den Markt und umrunden damit
den Kirchenkomplex. Mir gefallen die kleinen, bunten Taschen gut,
aber sie sind extrem teuer. Sonst ist nichts dabei, was mich
reizen könnte.
Am Eingang zu den Cappelle Medicee
machen wir kurz Halt. Sollen wir oder sollen wir nicht? Haben wir
genug Zeit? Eher nicht! Gerhard hat ohnehin nicht wirklich Lust
dazu, Michael macht immer sofort ein ablehnendes Gesicht, wenn
der Eintritt in eine Kirche mit Kosten verbunden ist. Da fällt
mein Blick auf ein "Fotografieren verboten"-Schild.
Vielleicht bin ich kindisch, aber das stört auch mich, wenn
ich Eintritt zahlen muss und dann keine fotografische Beute mit
nach Hause nehmen darf. Das hat letztendlich die Entscheidung
gebracht.
Also weiter rund um den Platz zum
Eingang der Kirche! Von außen ist sie, obwohl riesengroß,
eher unscheinbar. Bei den meisten Kirchen in Florenz ist die
Eingangsfassade prächtig, aber die anderen Außenmauern
nicht. Man baute, solange das Geld reichte, und die Vorderfront
war natürlich das wichtigste Anliegen dabei. Hier kam es
aber nicht dazu. Die Fassade wurde  von
Michelangelo geplant, es kam aber nie zu einer Ausführung,
weil es keinen Geldgeber dafür gab. Sie ist nicht nur
schlicht, sondern man könnte sie eigentlich als "roh"
bezeichnen. Im Inneren soll die Kirche jedoch überreich mit
Kunstwerken ausgestattet sein. Was eine Besichtigung anbelangt:
Dasselbe in Grün! Ich entlocke meinen Männern gerade
noch mal das Zugeständnis zu "Vielleicht haben wir doch
später noch Zeit", aber es kommt nicht mehr dazu.
Der Vollständigkeit halber sei
hier kurz angeführt, was diese Sehenswürdigkeiten laut
Reiseführer so sehenswürdig macht: ein riesengroßer
Kirchenraum, der eine Perle der Renaissance darstellt, zwei
Bronzekanzeln von Donatello, Altarbilder und Fresken von
Bronzino, Filippo Lippi und Rosso Fiorentino und eine große
Anzahl von Medici-Grabmälern, die sich in der Alten und in
der Neuen Sakristei, in der Krypta, im Kirchenschiff und in der
Medici-Kapelle befinden, einige davon bedeutende Kunstwerke, die
man sich eigentlich nicht entgehen lassen sollte.
Wenn ich so schreibe darüber, bin
ich mir ziemlich sicher, dass ich damit wieder einen
Programmpunkt gefunden habe, der beim nächsten
Florenz-Besuch Berücksichtigung finden sollte.
Weiter geht es in Richtung Palazzo
Medici-Riccardi, ein Palast aus der Mitte des 15. Jahrhunderts,
von den Medici an Michelozzo Michelozzi in Auftrag gegeben,
später an die Riccardi verkauft. Man könnte ihn als
einen Prototyp der florentinischen Renaissance-Paläste
bezeichnen.
  
Im Inneren befinden sich zahlreiche
Kunstschätze, vor allem der "Zug der Heiligen Drei
Könige" in der Kapelle ist erwähnenswert. Auf
diesen Fresken hat Benozzo Gozzoli zahlreiche Persönlichkeiten
der damaligen Zeit proträtiert. Der Palast
wird für kulturelle Veranstaltungen und Ausstellungen
genutzt.
Nicht weit davon entfernt befindet sich die
Galleria dell' Accademia dell' Arte del Disegno, kurz Accademia
genannt. Hier befindet sich - wie schon bereits erwähnt -
das Original des David von Michelangelo. Die Statue wird in einem
eigenen Raum prachtvoll präsentiert. Außerdem sind
auch noch andere Skulpturen von Michelangelo, Giambologna und
weiteren Florentiner Künstlern und eine umfangreiche
Gemäldesammlung zu sehen. Sogar jetzt im November gibt es
hier eine Menschenschlange, sie ist aber nicht sehr lang. Wir
hatten eine Besichtigung von vornherein nicht geplant. Aber wenn
man genügend Zeit hat, ist der Besuch hier sicher sehr
lohnend.
Wir gehen aber nun bis zur Piazza della
Santissima Annunziata. Am Vorabend sind wir hier schon
vorbeigekommen. Auch heute stechen mir auf diesem sonst sehr
schönen, geschlossen wirkenden Platz als erstes die großen
blauen, überdies mit Graffiti "verzierten"
Mistkübel in die Augen. Es ist schwierig, sie auf einem Foto
nicht drauf zu haben, ganz ist es mir nicht gelungen.
 

In der Mitte des Platzes steht das
Reiterstandbild des Großherzogs Ferdinand I, ein Werk von
Pietro Tacca. Steht man diesem Monument von vorne gegenüber,
befindet sich linker Hand die Loggia dei Servi di Maria und
rechter Hand der Ospedale degli Innocenti. Letzterer wurde als
Findelhaus errichtet. Er wurde von Filippo Brunelleschi zwischen
1419 und 1457 geschaffen, das war seine erste bedeutende Arbeit
und eines der ersten Renaissancebauwerke in Florenz. Die
Zwickelflächen zwischen den Säulen des Portikus sind
mit Tondi von Andrea della Robbia verziert. Sie zeigen
Terracottafiguren von Kleinkindern auf blauem Grund. Noch bis ins
Jahr 1875 konnte man hier unerkannt
durch eine kleine Drehtür unerwünschte Kinder abgeben.
An der Stirnseite des Platzes steht die Basilica
della Santissima Annunziata. Sie geht zurück auf ein
Oratorium des Ordens der Servi di Maria, das im 13. Jahrhundert
errichtet wurde. Durch die zunehmende Wichtigkeit aufgrund der
Verehrung eines wundersamen Freskos, das die Verkündigung
darstellt und damit der Kirche den Namen gibt, erfolgte im 15.
Jahrhundert ein Neubau durch Michelozzo. Im 17. Jahrhundert
wiederum wurde eine üppige Barockisierung durchgeführt.
 Dass
sich hinter dem Säulengang eine Kirche befindet, würde
man vom Platz aus gesehen nicht vermuten. Das Kirchengebäude
ragt nur wenig darüber hinweg, und es gibt keinen
auffallenden Kirchturm. Durch den Portikus betritt man zuerst den
Chiostrino dei Voti, einen Kreuzgang mit Fresken aus dem frühen
16. Jahrhundert. Erst von dort aus kann man in die Kirche
gelangen.
Wir betreten das Gotteshaus, und ich spüre
sofort, dass es eine sehr "lebendige" und
"sympathische" Kirche ist. Es sind viele Leute da,
manche beten, eine lange Reihe steht vor einem Beichtstuhl. Der
Mesner, ein älterer Herr läuft geschäftig herum.
Immer wieder gibt es etwas aufzuräumen, Kerzen werden
gelöscht oder gerade gerückt, usw. Er redet auch mit
den Besuchern der Kirche, spricht ein Ehepaar auf Englisch an, ob
sie etwas wissen wollen über die Kirche. Es stellt sich
heraus, dass es Italiener sind, und die drei unterhalten sich
lange Zeit.
Ein ganz eigenartiges Detail sind die
von zwei Seiten benutzbaren Kirchenbänke. Durch Hochklappen
der Sitzflächen und mit Hilfe von zusätzlichen Stühlen
kann man entweder in Richtung Hauptaltar oder in Richtung Eingang
schauen. Das ist sehr nützlich, denn die offensichtlich viel
verwendete Kapelle in dieser Kirche befindet sich unmittelbar
links vom Haupteingang.
  
Es ist die Cappella Annunziata
(Verkündigungs-Kapelle), in der sich das oben erwähnte
Fresko befindet. Sie ist überreich verziert, und es liegen
viele Blumensträuße dort. Sie wirkt auf mich irgendwie
"byzantinisch", obwohl ich bei genauerer Betrachtung
eigentlich keine Erklärung finde, warum das so ist. Vor
dieser Kapelle versammeln sich gerade ein paar Leute, ein
Priester kommt und hält eine kurze Andacht. Ich denke schon,
jetzt werden wir hinausgeschickt, aber das passiert nicht.
  
In der Kirche befinden sich zahlreiche
Seitenaltäre mit ebenso zahlreichen Kunstwerken, unter
anderem eine Pietà von Baccio Bandinelli (wir haben
gestern seine Plastik Herkules und Cacus, die gemeinsam mit dem
David den Eingang des Palazzo Vecchio flankiert, gesehen).
Die Decke des Hauptschiffes ist reicht
verziert und vergoldet. Der monumentale Hochaltar im riesigen,
runden Presbyterium trägt ein Silberantependium, das von
Cosimo Merlini hergestellt wurde. Darüber wölbt sich
die Kuppel mit einer Darstellung der Himmelfahrt Mariens. Links
und rechts vor dem Altar stehen zwei große Statuen, die die
Apostel Petrus und Paulus darstellen.
  
Als nächstes steht der Tempio
Maggiore, die Florentiner Synagoge, auf dem Programm. Wir wollen
den Weg dorthin in einem etwas größeren Bogen gehen.
Denn Michael hat auf dem Stadtplan gesehen, dass der Piazzale
Donatello eine Art Ringstraße
bildet, in deren Mitte ein Friedhof, der Cimitero degli Inglese,
eingezeichnet ist. Das interessiert uns, das muss doch eigenartig
aussehen!
Und das tut es auch tatsächlich.
Die Straße, die rundherum führt, ist mehrspurig und
stark befahren. In der Mitte liegt ein kleiner Hügel, der an
den Rändern wie "abgeschnitten", senkrecht
abgemauert und dann mit einem Gitter umgeben ist. Das hier
eingefügte Foto gibt jetzt als Motiv absolut nichts her,
aber es veranschaulicht meinen möglicherweise nicht sehr
gelungenen, schriftlichen Erklärungsversuch.
Nach unserer Reise habe ich dann Infos
darüber eingeholt. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde ein
Friedhof für die Nichtkatholiken außerhalb der
damaligen Stadtmauern angelegt. Zum Großteil waren es
Protestanten, und hierbei wieder in der Mehrzahl Engländer,
darunter viele Schriftsteller und bildende Künstler. Die
Engländer bildeten in dieser Zeit die größte
Ausländergruppe in Florenz. Daher also der Name! Als die
Stadtmauern dann abgetragen und die Straßen angelegt
wurden, entstand diese eigenartige "Verkehrsinsel".
Das Gittertor ist verschlossen, und
wir setzen unseren Weg in Richtung Tempio Maggiore fort. Die hier
noch eingefügten Fotos hat Michael dann erst am Nachmittag
gemacht. Gerhard und ich haben nämlich die Uffizien besucht,
und da wollte er absolut nicht dabei sein.
  
  
Der Tempio Maggiore Israelitico ist
für uns als Sehenswürdigkeit schnell "erledigt".
Das Gebäude ist ziemlich groß und sieht beeindruckend
aus, ist aber nicht ungehindert sichtbar, denn es ist von einer
Mauer mit Gitterzaunaufsatz und einem unten nicht durchsichtigen
Tor umgeben. Zur Besichtigung, es ist auch ein Museum
angeschlossen, müsste man eine kleine Pforte passieren. Dass
ich dann doch ein
Gesamtfoto der Kirche zustande bringe, habe ich einem Auto mit
Handwerkern zu verdanken, das gerade das Gelände verlässt.
Dadurch wird das hohe Tor geöffnet und ich kann das Bauwerk
in seiner ganzen Höhe und Breite aufs Bild bannen.
Es ist sicher, dass es bereits im 13.
Jahrhundert eine kleine jüdische Gemeinde und eine Synagoge
in Florenz gab. Wahrscheinlich geht diese Gemeinde aber in der
Geschichte viel weiter zurück. Diese Synagoge wurde Ende des
19. Jahrhunderts erbaut. Sie stellt, wie zu dieser Zeit üblich,
eine stilistische Mischung dar, in diesem Fall aus traditionell
florentinischen und orientalischen Stilelementen. Das gilt auch
für das Kircheninnere, es ist reich geschmückt und
verziert. Im 2. Weltkrieg diente der Tempio Maggiore als
Fahrzeuglager und hätte zu Kriegsende gesprengt werden
sollen, was aber verhindert werden konnte. Die Beschädigungen,
die sich in Grenzen hielten, wurden nach dem Krieg repariert.
Wir durchqueren nun das jüdische
Viertel und kommen an einem koscheren Restaurant und
Lebensmittelladen und an der bewachten israelischen Botschaft
vorbei.
Nicht weit entfernt davon, auf einem
kleinen Platz vor der Chiesa di Sant' Ambrogio, gibt es wieder
einen Markt. Mir sind jetzt nur mehr Schuhe und Taschen in
Erinnerung, aber vielleicht war da auch noch anderes zu kaufen.
Die Auswahl ist gering, aber es gibt dort zufällig ein paar
Stiefel für meinen Sohn, die perfekt seinen Ansprüchen
entsprechen. Nach genau dieser Art hat er zu Hause schon eine
Zeitlang gesucht und nichts gefunden. Dass diese Dinger auch noch
ausgesprochen billig sind, macht die Entscheidung einfach.
 Wir
kommen nun zu einer riesigen Markthalle, dem Mercato di
Sant'Ambrogio. Da wird wirklich alles angeboten, was das Herz
begehrt. Rund um die Halle sind außerdem noch zusätzliche
Marktstände aufgebaut. Hier ist die Gegend total
"untouristisch" und es ist auch alles andere als schön
hier. Die Markthalle ist von außen unansehnlich, aber die
Stände drinnen wirken relativ sauber und geordnet.
Nicht die vielen anderen
Nicht-Italiener, die hier ihre Waren anbieten oder einkaufen,
sind die Exoten ... nein, die Exoten sind hier eindeutig wir
drei.
So ein buntes Markttreiben animiert
mich immer zum Fotografieren. Da kann ich gar nicht mehr
aufhören. Ich hätte also noch genug weiteres
Fotomaterial an dieser Stelle einzufügen.
    
   
An
der Casa Buonarroti kommen wir nur zufällig vorbei.
Michelangelo blickt freundlich gelassen von der Fassade. Das Haus
hat er wohl 1508 gekauft, aber gelebt hat er darin nie. Mehr als
100 Jahre später hat es ein Neffe von ihm zu einem Palast
ausbauen lassen, und es wurden zahlreiche Kunstwerke des Genies
zusammengetragen und ausgestellt. Auch hier gäbe es also
wieder ein Museum zu besuchen. Ich weiß nicht, wie lange
man in Florenz verweilen
müsste, um in Ruhe alle Museen besichtigen zu können.
Es muss sehr lange sein, da bin ich mir sicher.
Inzwischen ist der Entschluss gereift,
dass wir uns am heutigen Nachmittag in die Uffizien begeben
werden. Wir trennen uns von unserem Sohn, da dieser - wie schon
erwähnt - daran überhaupt nicht interessiert ist, was
ich durchaus verstehe. Ich bin mir selber nicht ganz sicher, ob
ich hin will. Aber andrerseits: Florenz ohne Uffizien? Da fehlt
doch irgendwas. So bin ich dann doch froh, dass Gerhard das auch
so sieht und mit mir geht. Alleine hätte ich mich nicht
entschließen können dazu. Vorbei an der Basilica di
Santa Croce streben wir also dorthin. Ich mache ein
"Hinterrücks-Foto" von Dante. Denn ich finde er
hat aus dieser Perspektive einen lässigen Hüftknick und
die Zipfelmütze ist auch nicht ohne.
Die Uffizien wurden Mitte des 16.
Jahrhunderts errichtet, und zwar als Verwaltungskomplex, daher
auch der Name. Cosimo I. Medici betraute Giorgio Vasari mit
diesem Projekt. Ein ganzes Stadtviertel wurde niedergerissen, um
Platz für diesen Bau zu bekommen. Er besteht aus zwei
parallel zueinander verlaufenden langgestreckten Flügeln,
die dazwischen den schmalen Piazzale degli Uffizi bilden und sich
bis zum Arnoufer erstrecken. Dort werden sie durch ein quer
liegendes Gebäude miteinander verbunden, welches aber mit
seinem Arkadengang den Durchgang zum Arno freihält. Schon
sehr bald wurde begonnen, hier die Kunstschätze der Medici
und später der Großherzöge der Toskana
unterzubringen. Damit entstand eine der größten und
bedeutendsten Gemäldesammlungen der Welt.
Es
gibt keinen Aufenthalt beim Eingang zur Galleria degli Uffizi. Es
ist wenig los hier zu dieser Jahreszeit. Diese Gemäldegalerie
ist grundsätzlich chronologisch aufgebaut, d.h. die Bilder
werden immer jünger, je näher man dem Ausgang zustrebt.
Eines der Highlights begegnet einem gleich ganz zu Beginn, ein
sehr schön gestalteter Raum, in dem man die Maestà
(Madonna mit dem Jesuskind) von Cimabue bestaunen kann. So wie
das Kruzifix vom gleichen Künstler im Museum von Santa Croce
hat sie mich total beeindruckt. Beide Kunstwerke mit ihrer
"strengen" Aura und der spürbaren tiefen
Religiosität zählen für mich zu den ganz großen
Kulturerlebnissen dieser Reise.
Ein "Aushängeschild"
dieses Museums stellt die Geburt der Venus von Sandro Botticelli
dar. Ich werde aber jetzt hier sonst keine weiteren Namen von
Kunstwerken und Künstlern anführen, das ist völlig
sinnlos angesichts der Tatsache, dass hier Hunderte von Bildern
in den Sälen hängen und Hunderte von Skulpturen in den
Gängen aufgestellt sind. Bis zum Ende des Parcours weiß
man ohnehin nicht mehr, was man gesehen hat.
  
 
Der Rundgang beginnt in dem Flügel,
der sich an den Palazzo Vecchio anschließt, führt über
das Verbindungsgebäude und geht den anderen Flügel
zurück bis zu einer Dachterrasse, auf der ein Kaffeehaus
eingerichtet ist. Man befindet sich dann direkt über der
Loggia dei Lanzi. Der
Blick auf den Turm des Palazzo Vecchio ist aus dieser Perspektive
sehr eindrucksvoll. Durch die Ausnehmungen in der hohen Brüstung
kann man auf die Stadt und den Dom schauen. Zum Fotografieren
eignet sich dieser Platz nicht besonders gut. Denn man darf nicht
bis zum Rand vorgehen und den Absatz hinaufsteigen, um wirklich
einen Ausblick zu haben.
Meine Meinung zu unserem Besuch der
Uffizien nun im Nachhinein: Ich bereue es nicht, dass ich
hingegangen bin, schon  alleine
aus dem Grund, weil ich sonst nachher immer gedacht hätte,
dass mir etwas entgangen ist. Aber: Der Genuss hielt sich stark
in Grenzen. Es ist zu viel. Es ist zu "alt". Es ist zu
einem überwiegenden Teil nicht schön präsentiert.
Die Uffizien haben es gar nicht nötig, auf ein anziehendes
Umfeld zu achten. Die Besuchermassen strömen ohnehin von
selber hin. Die Bilder hängen meist hinter Glas, das ist ja
klar, sie brauchen einen Schutz, die Leuchtstoffröhren
machen aber Reflexe auf dieser Fläche, reihenweise kann man
die Bilder deswegen überhaupt nicht wirklich ordentlich
anschauen. Und nur das Gefühl, dass ich vor einem "heiligen
Kunstwerk" stehe, ist mir nicht genug.
Ich habe wenige Wochen nachher die
Ausstellung "Impressionisten - wie das Licht auf die
Leinwand kam" in der Wiener Albertina besucht. Man möge
mir hier jetzt vorwerfen, dass ich einen Vergleich ziehe, der
nicht in Ordnung ist. Ja, zugegeben, er ist es nicht, absolut
nicht. Hier wurde eine thematische Ausstellung präsentiert
mit Augenmerk auf  historische
Zusammenhänge und Erklärungen, man bekam eine Fülle
von Informationen, warum gerade in dieser Zeit der Boden so
fruchtbar war für diese Art der Malerei. Nebenbei sind das
Bilder, die mir grundsätzlich viel mehr gefallen. Ich bin
staunend, begeistert, bereichert, ... von dort weg gegangen.
Also das ist total anders und dürfte
nicht miteinander verglichen werden. Ich erwähne es ja auch
nur, um die Beschreibung meines Gefühls zu untermauern, das
ich hatte, als ich die Uffizien verließ: Eine lange Reihe
von Bildern, relativ lieblos reingehängt, große
Kunstschätze, aber kein Genuss! Ja, ... ich bin vielleicht
ein Banause ... vielleicht auch nicht. Vielleicht bin ich auch
nur "mutig", meine Meinung über einen
normalerweise unumstrittenen Kulturgenuss zu äußern.
Einen
Kaffee zur Stärkung haben wir dann auf alle Fälle
verdient, und es gibt auch einen kleinen Snack dazu. Wir
spazieren anschließend über die Piazza della Signoria.
Ich werfe einen
Blick in die Auslage des exklusiven Papier- und
Lederwarengeschäftes Pineider. Schon Napoleon, Lord Byron
und Maria Callas sollen sich angeblich dort Visitenkarten
bestellt haben. Ich habe ein Faible für Papier- und
Schreibwaren, derlei edle Dinge zu betrachten, bereitet mir
Vergnügen, wenngleich ich keinen Cent für so etwas
ausgeben würde. Und hier ist wirklich alles exquisit, vom
Feinsten ... die Preise sind dementsprechend. Hineingetraut habe
ich mich jedoch nicht, es blieb beim "Auslagengucken".
Auf dem Rückweg zum Hotel
überqueren wir die Piazza della Repubblica, einen recht
"jungen" Florentiner Platz. Er wurde erst zu Ende des
19. Jahrhunderts gestaltet. Ein hübsches
"Nostalgie"-Karussell ist hier aufgestellt und auch in
Betrieb. Wir sind hier noch ein paar Mal vorbeigekommen, aber es
hat sich immer ganz alleine für sich gedreht.
  
Nicht weit davon entfernt befindet
sich der Palazzo Strozzi. Er wurde zu Ende des 15. Jahrhunderts
von den Strozzi, einer  ebenfalls
sehr wohlhabenden Florentiner Familie, in Auftrag gegeben. Er
soll einer der schönsten Renaissance-Paläste in Florenz
sein. Ich muss aber gestehen, dass diese Paläste für
mich alle ziemlich ähnlich aussehen. Sie waren allesamt eine
Demonstration des immensen Reichtums, und man versuchte, sich
gegenseitig damit zu übertrumpfen.
Immer wieder fällt mir auf, dass
es in der Florentiner Altstadt viele schmale Gassen gibt, die oft
an einem Punkt zusammenlaufen und wenig Platz für die Häuser
lassen, die dann in einer "spitz" zulaufenden Ecke
enden. Das wirkt, als würde sich ein Schiffsbug in die
Gassen schieben.
Langsam wird es dämmrig. Die
Basilica di Santa Maria Novella liegt im Abendlicht. Zu diesem
Zeitpunkt weiß ich das ja
noch nicht, aber wir werden das Innere der Kirche nicht zu
Gesicht bekommen, es ist sich nicht mehr ausgegangen bis zum Ende
der Reise. Darum möchte ich der Ordnung halber ein paar
sparsame Infos darüber an dieser Stelle einfügen.
Der Bau der Kirche wurde schon Mitte
des 13. Jahrhunderts begonnen. Der untere Teil der Fassade
entstand Mitte des 14. Jahrhunderts im romanisch-gotischen Stil,
der obere Teil wurde 100 Jahre später im Renaissance-Stil
fertiggestellt. Für mich bildet das Ganze aber trotzdem eine
wunderschöne Einheit. Im Inneren der Kirche sind zahlreiche
herausragende Kunstwerke zu sehen, u. a. Fresken von Ghirlandaio,
ein Kruzifix von Giotto, eine Dreifaltigkeitsdarstellung von
Masaccio mit interessanter perspektivischer Wirkung und ein
Holzkruzifix von Brunelleschi. Neben der Kirche befindet sich ein
Kloster mit sehenswerten Kreuzgängen und einem Kapitelsaal.
Die Liste der beim nächsten Florenz-Besuch unbedingt
einzuplanenden Sehenswürdigkeiten wird immer länger.
Nach einer Rastpause im Hotel ziehen
wir wieder los. Heute wird mein Wunsch nach einem richtigen
italienischen Abendessen in einem gemütlichen Restaurant
erfüllt. Wir besuchen die Trattoria Anita in einer
Seitengasse in der Altstadt. Nach
einer Nudelvorspeise, für Michael Spaghetti Carbonara, für
Gerhard Tagliatelle alla Fiorentina, für mich Taglierini
Tartufati, gibt es für Gerhard ein Cinghiale in umido
(geschmortes Wildschwein) und für Michael und mich Petti di
Pollo Guelfa (Hühnerfilets). Gerhard bezweifelt ganz stark,
dass es sich um ein Wildschwein handelt, im Gegenteil, er ist
sich ziemlich sicher, dass das Fleisch vom Rind stammt, was aber
im Endeffekt nichts daran ändert, dass alles ausgezeichnet
geschmeckt hat, ... auch das Nicht-Wildschwein.
Auf unserem kleinen Abendspaziergang
kommen wir noch zufällig an der Parrocchia dei Santi Michele
e Gaetano vorbei. Dort ist gerade eine Messe oder Andacht zu Ende
gegangen, das Kirchentor ist offen, und darum schauen wir noch
kurz hinein. Die Kirche ist mir bei meinen Vorbereitungen nicht
begegnet. Ich finde sie aber deswegen erwähnenswert, da sie
im Inneren fast völlig in Schwarz gehalten ist. Es gibt
helle Figuren und Verzierungen, der Boden ist gemustert, und die
helle Decke bildet ebenfalls einen starken Kontrast. Das
Gesamtbild wirkt ungeheuer "edel".
Dann ist es Zeit, schlafen zu gehen.
Für morgen ist ja der Ausflug nach Pisa geplant. Auch das
wird wieder ein anstrengender Tag werden.
Die
kleinen Fotos von den Sehenswürdigkeiten kann man anklicken,
um ein größeres Foto betrachten zu können.
zurück
zu "1. Tag" zurück
zur Übersicht "Toskana, erste Auflage" weiter
zu "3. Tag"
nach
oben
|
|