Helga Buchegger
Reisegeschichten

 

"Zwei Hauptstädte im Schnee"

 

1. Tag:
Budapest, Anreise, Kossuth Ter, Parlament (Orszaghaz), Ethnographisches Museum (Neprajzi Muzeum), Freiheitsplatz (Szabadsag Ter), St.Stephans-Basilika (Szent Istvan Bazilika), Deak Ferenc Ter, Abendspaziergang mit Kirche zur Hl. Elisabeth (Szent Erzsebet-Templom), Madach-Theater (Madach Szinhaz) und Café New York (New York Kavehaz)

Das passiert mir normalerweise nicht: Ich bin zu spät aufgestanden, ich habe den Zeitbedarf vor der Abreise unterschätzt. Ich bringe eine "Mords-Hektik" zusammen. Gut fünf Minuten vor Abfahrt des Zuges sind wir am Bahnhof St. Valentin.

Es herrscht richtiges Schneetreiben, einen Schirm kann man nicht verwenden, wenn man Gepäckstücke zu tragen hat. Meine frisch gewaschenen und gefönten Haare werden total nass, und ich schau wirklich ziemlich aufgelöst aus, als wir endlich alle drei im Zug sitzen. Beim Zugfenster saust die total verschneite Landschaft vorbei. Und es schneit noch immer ganz heftig.

Wir haben in Wien auf dem Westbahnhof genügend Zeit bis zur Abfahrt unseres Zuges nach Budapest. Diese wollen wir nutzen, um die noch nicht vorhandenen Zugskarten von Wien nach Bratislava, die wir dann drei Tage später brauchen werden, zu kaufen. Die Karten nach Budapest haben wir ja bereits.

Wir verstauen unsere Koffer und Taschen im ungarischen Zug, der schon auf dem Bahnsteig bereit steht. Unser Sohn bleibt beim Gepäck, und Gerhard und ich gehen Fahrkarten kaufen. Ich, die ich nie eine Armbanduhr trage und außerdem in dem Bewusstsein, dass wir nahezu eine halbe Stunde Zeit haben, bin ganz ruhig. Was ich aber nicht mitgekriegt habe, unser Zug hat zwischen St. Valentin und Wien ziemliche Verspätung eingefahren ... na gut, dass ich das nicht gewusst habe, ich wäre "auf Nadeln gestanden", während wir auf das Ausstellen unserer Fahrkarten gewartet haben. Gerhard ist bei sowas immer viel ruhiger, er macht öfter mal was am "letzten Abdruck".

Wir gehen also zurück zum Zug. Wenige Minuten später wäre die Planabfahrt gewesen, allerdings geht es erst eine Viertelstunde später wirklich los. Es wäre nicht gerade recht "praktisch" gewesen, wenn der Zug ohne uns gefahren wäre: Michael hätte unser ganzes Gepäck gehabt, wir dafür die Zugskarten, die Hotelgutscheine und den Großteil des Geldes ...

Wahrscheinlich bilde ich mir das nur ein, aber je weiter wir nach Osten kommen, desto mehr wird der Schnee. Ich habe auch aus dem Zugfenster fotografiert, nicht dass die Bilder jetzt wirklich schön sind, ganz im Gegenteil! Sie bringen nur einfach die triste Winterstimmung perfekt zum Ausdruck. Das eine Foto ist irgendwo zwischen Amstetten und Wien, das zweite irgendwo zwischen Wien und Györ entstanden.

Im Grenzgebiet fallen mir besonders viele Rehe und Hasen auf, die man auf den verschneiten Feldern natürlich sehr gut sehen kann. Am Bahnhof Györ sind ganze "Schneeschaufeltrupps" unterwegs. Überall türmen sich die Haufen. Ich frage mich jetzt schon, wie die vielen Fotos, die ich auf unserer Reise zu machen gedenke, ausschauen werden. Parlament, Fischerbastei, Kettenbrücke, ... alles mit Schneehaube ... und grau in grau ... und das Objektiv wird anlaufen ... na das kann was werden!

Die Verspätung von einer Viertelstunde bleibt erhalten. Wir kommen in Budapest auf dem Ostbahnhof (Keleti Palyaudvar oder kurz Keleti Pu) an. Es herrscht Gedränge, die ungarische Stimme aus dem Lautsprecher quakt ohne Unterbrechung. Wir wälzen uns gemeinsam mit einer großen Anzahl von Menschen den Bahnsteig entlang bis zum Ausgang, es ist ein relativ weiter Weg hinaus. Taxi und Geldwechsel wird von allen Seiten angeboten.

Das Hotel sollte nach unseren Informationen nicht allzu weit weg sein. Vor dem Bahnhof ist eine Riesenbaustelle, es wird dort an der vierten Linie der Budapester U-Bahn gebaut, wir wissen nicht gleich, wie wir am besten daran vorbei kommen, aber zehn Minuten später stehen wir schon in der Hotelhalle. Der junge Mann, der uns die Zimmer zuteilt, spricht ausgezeichnet deutsch. Die Hotelzimmer sind vollkommen in Ordnung, auch das Bad passt. Es gibt leider anstatt einer Duschkabine eine Badewanne mit Duschvorhang und außerdem vermisse ich einen Safe. Aber sonst ist absolut nichts auszusetzen. Die Betten sind sogar wirklich komfortabel, viel besser als erwartet.

Die Koffer sind schnell ausgepackt, und wenig später starten wir schon zu unserer ersten Erkundungsrunde. Wir wollen zunächst einmal Geld eintauschen, denn so ganz ohne Forint fühlt man sich doch etwas "arm". Dass man die Wechselstuben am Bahnhof lieber links liegen lassen sollte, haben wir schon vorweg gelesen. Dass man nicht auf der Straße tauschen soll, ist ohnehin ein klarer Fall. Zwischen Hotel und Bahnhof liegen zwei Banken (österreichischer Herkunft). Wir nehmen die mit der "freundlicheren" Erscheinung. Am Eingang werden wir von einem Angestellten erwartet, der fragt, was wir wollen und der uns einen kleinen Zettel mit einer Nummer überreicht, unter der wir dann aufgerufen werden. Wir kommen schnell dran, aber es ist wirklich erstaunlich, was es für eine Prozedur bedeutet, einen vergleichsweise winzigen Euro-Betrag auf Forint umzuwechseln. Es muss alles genau notiert werden. Der Mann am Schalter kann natürlich nichts dafür, er muss halt alle seine Vorschriften einhalten.

Dann suchen wir eine U-Bahn-Station, das ist nicht schwierig, denn direkt neben dem Ostbahnhof ist der Abgang zur Linie M2 (rot). Wir brauchen aber vorher noch Fahrkarten. Wir haben beschlossen, uns eine Touristen-3-Tages-Karte zuzulegen. Aber es kommt aufgrund von Verständigungsschwierigkeiten ein wenig anders. In der Zugangshalle gibt es einen mobilen Fahrkartenschalter. Wir sagen der Dame dort, was wir haben möchten, aber die versteht wirklich nicht ein einziges Wort Deutsch oder Englisch. Mit Händen und Füßen wollen wir ihr beibringen, dass wir dreimal eine 3-Tages-Karte wollen. Drei Finger kann man ja zeigen, aber 3 x 3 will oder kann sie einfach nicht kapieren. Sie redet zwar wie am Fließband und ist auch sehr laut dabei, aber ihr Ungarisch verstehen wir eben nicht.

Wir kommen in dieser Angelegenheit keinen Schritt weiter, die Dame wird auch schon ganz ungeduldig mit uns, endlich reißt sie dann von ihrem Block 3 Einzelfahrscheine herunter und will 3 x 290,- Forint von uns. Wir geben auf. Ist ja ohnehin nur eine Bagatelle, so haben wir halt mal eine Fahrt bis ins Stadtzentrum, und dann sehen wir weiter. Weiter unten schon in der Nähe der Zutrittsschranken gibt es einen ordentlichen Fahrkartenschalter, wo Englisch (und wahrscheinlich auch Deutsch) gesprochen wird und man höflich und zuverlässig bedient wird. Waren wir zuerst ein wenig verärgert und irritiert, kommen wir dann aber drauf, dass unser Missgeschick gar nicht so schlecht war. Heute werden wir höchstens noch eine Rückfahrt brauchen, morgen werden wir eher länger an einer Stelle bleiben (Budaviertel, Burgberg) und deswegen auch nicht viele Teilfahrten haben. Wir kaufen uns daher einen Zehnerblock und für den dritten Tag werden wir dann eine 1-Tages-Karte erstehen und alle anderen Ziele abklappern. Und wir sind im Endeffekt damit viel besser als mit einer 3-Tages-Karte "gefahren". Die gute Frau hat uns also sogar geholfen, Geld zu sparen.

Wir fahren bis zur Haltestelle Kossuth Ter. Man hat noch kaum die U-Bahn-Station verlassen, sieht man schon das Parlament (Orszaghaz) vor sich. Das ist wirklich ein gewaltiges Gebäude und zu Recht eines der Wahrzeichen Budapests. Es wurde zwischen 1885 und 1904 im neogotischen Stil als Demonstration einerseits des wachsenden Nationalbewusstseins, andererseits der Forderung nach Demokratie als Gegenpol zum Königspalast auf der anderen Seite der Donau errichtet. Bis zur Demokratie sollte es allerdings doch noch ziemlich lange dauern.

Die Ausmaße sind gigantisch, die Länge beträgt 268m, die Breite 123m, die Kuppel erreicht eine Höhe von 96m. Es gibt in diesem Bau 10 Innenhöfe, 27 Eingänge, 29 Treppenhäuser, 365 Türmchen und nahezu 700 Räume ... habe ich gelesen. Nun gut, kontrollieren kann ich das nicht, aber ich bin ziemlich beeindruckt von diesem Anblick. So richtig schön ins Bild habe ich es allerdings erst am nächsten und am übernächsten Tag von jenseits der Donau bekommen. Jetzt sind wir zu nahe dran und das Wetter ist - wie schon mehrfach bemerkt - alles andere als fototauglich.

Wir gehen über den Platz und werfen einen Blick auf das Ethnographische Museum (Neprajzi Muzeum), auch ein sehr wirkungsvolles Gebäude, ein Stilmix aus Renaissance, Barock und Klassizismus, ebenfalls zu Ende des 19. Jahrhunderts errichtet. Zwischen den beiden Gebäuden liegt eine Parkanlage, darin befindet sich das Denkmal von Kossuth Lajos, der auch dem Platz den Namen gibt und von Rakoczi Ferenc, beide haben sich um die Unabhängigkeit Ungarns, wenn auch zu verschiedenen Zeiten, verdient gemacht. An dieser Stelle sei erwähnt, dass in der ungarischen Sprache immer zuerst der Familien- und dann der Vorname angeführt wird.

Ein "ewiges Feuer" auf einem Granitmonument in der Nähe des Eingangsbereiches zum Parlament erinnert an die Toten des ungarischen Volksaufstandes von 1956. Wir gehen nun rechts vorbei am Parlament in Richtung Donau.

"Hier fehlt doch einer" - haben wir uns bei diesem Denkmal gedacht. Es sieht aus, als sollte hier noch eine zweite Person unter dem Bogen stehen. Bei der Statue handelt es sich um den Herrn Karolyi Mihaly. Dieser hat im Jahre 1918 in Ungarn die Republik ausgerufen und war deren erster Staatspräsident, das habe ich allerdings erst nachher zu Hause auf Wikipedia herausgefunden, mir hat der Name vorher nichts gesagt. Was den freien Platz neben ihm anbelangt .... da kann Abhilfe geschaffen werden! Michael stellt sich neben Michael und füllt damit für ein Foto diese "Lücke" perfekt aus.

Lautes und anhaltendes "Tatü" kombiniert mit Blaulicht - ein Konvoi von mindestens 20 Polizeifahrzeugen umrundet den Platz und fährt in das Gelände des Parlaments ein. Hier kommt anscheinend gerade hoher Besuch.

Wir bewegen uns dann in etwa parallel zur Donau in Richtung Stadtzentrum. Die Telefonzelle sticht mir ins Auge. Ich mache meinen Sohn auf die tolle Farbzusammenstellung aufmerksam. Er meint, dass man das als "kommunikative Scheußlichkeit" bezeichnen könnte.

Der Freiheitsplatz (Szabadsag Ter) ist ein zwar großer, aber doch sehr geschlossen wirkender Platz, von vielen schönen Gebäuden gesäumt. In der amerikanischen Botschaft lebte der Regimegegner Kardinal Mindszenty im Exil. Das für mich auffälligste Gebäude ist jedoch das des Ungarischen Fernsehens (MTV Televizio).

Wir gehen die eingeschlagene Richtung weiter. Da taucht unvermutet links am Ende der querenden Straße die St.Stephans-Basilika (Szent Istvan Bazilika) auf und rechts neben uns diese Gestalt. Der wohlbeleibte Herr hat wohl kein Problem mit dem Sauwetter, er scheint in sich hineinzulächeln über die paar dummen Touristen, die zu dieser Jahreszeit hier vorbeikommen. Wir gehen bis zum Vorplatz der Kirche, und ich mache ein Foto von dem hübschen, bunten Pflaster, es ist teilweise vom Schneematsch bedeckt. Wenn wir morgen vorbeikommen, wird zwar die Sonne scheinen, was ein besseres Foto von der Kirche zulassen wird, aber der Platz wird dafür ganz zugeschneit sein.

Eine Besichtigung der Kirche heben wir uns für den nächsten Tag auf, langsam aber sicher werden wir müde, und der Magen meldet, dass er schon seit dem Frühstück nicht mehr viel bekommen hat. Ein chinesisches Restaurant, das hier ganz zufällig die Blicke auf sich zieht, kommt uns da natürlich gerade recht. Geschmeckt hat es sehr gut, es war ziemlich scharf gewürzt, davon ist uns warm geworden. Aber als wir dann wieder draußen in dem nasskalten Wetter stehen, wird uns erst so richtig kalt und ungemütlich. Wir machen uns daher auf den Rückweg zum Hotel.

Wir gehen bis zum Deak Ferenc Ter. Hier ist ein wichtiger Knotenpunkt. Nicht nur, dass sich alle drei U-Bahn-Linien unterirdisch treffen, auch oberirdisch laufen da ein paar wichtige Verkehrsadern zusammen. Wir werden noch ziemlich oft hier vorbeikommen. Es wird schon ein wenig duster, das abendliche Licht macht die Fotos zwar unscharf aber dafür auch weicher und durch die künstliche Beleuchtung stimmungsvoller.

Der Weg ins Hotel ist noch relativ weit, wir haben es ein wenig unterschätzt, mit ziemlich müden Füßen langen wir dort ein. Wir gönnen uns eine Ruhepause, treffen uns dann aber noch mal zu einem Abendspaziergang in der Hotelhalle.

Wir haben kein bestimmtes Ziel mehr. Am Rozsak Tere in der Nähe des Hotels kommen wir zufällig an einer schön beleuchteten Kirche vorbei. Es ist die Kirche der Hl. Elisabeth (Szent Erzsebet-Templom). Ich habe sie bei meinen Vorbereitungen zwar nirgends als Sehenswürdigkeit angetroffen, aber ein nächtliches Foto ist sie auf jeden Fall wert. Ich finde sogar, sie schaut sehr fotogen aus. Genauso wie das bunte orientalische "Wasserpfeifen-Geschäft". Zudem ist "Vizipipa" ein wirklich hübsches ungarisches Wort, unter dem man sich ausnahmsweise auch mal was vorstellen kann.

Wir kaufen uns in einem Supermarkt noch etwas zu trinken und zu naschen und schlendern ein Stück auf der Großen Ringstraße (Nagy Körut) entlang. Wir kommen dabei am Madach-Theater (Madach Szinhaz) vorbei. Ich hätte mich an den Namen nicht mehr erinnert, aber als ich davor stehe, weiß ich, dass ich hier vor mehr als 20 Jahren eine Vorstellung der ungarischen Version des Musicals "Cats" von Andrew Lloyd Webber, gesehen habe. Ich war damals mit einer Freundin ein paar Tage hier in Budapest. "Cats" hatte ich vorher schon im Theater an der Wien gesehen, die Budapester Ausgabe war irgendwie "operettenhafter".

Das hell erleuchtete Café New York (New York Kavehaz) zieht die Blicke auf sich. Das prunkvolle Gebäude wurde schon Ende des 19. Jahrhunderts als Sitz einer amerikanischen Versicherung errichtet und das darin untergebrachte Kaffeehaus war ein beliebter Treff von Intellektuellen und Literaten. Seit einigen Jahren gehört der Gebäudekomplex einer italienischen Hotelgruppe, er wurde als Luxushotel ausgestattet und das Kaffeehaus in neuem Glanz wiedereröffnet. Es sieht wirklich toll aus.

Dann ist es Zeit, schlafen zu gehen. Für morgen haben wir ziemlich viel vor.

 

Die kleinen Fotos von den Sehenswürdigkeiten kann man anklicken, um ein größeres Foto betrachten zu können.

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